8. November 2009

Aus Berufung: Glaubensbegleiter

Von nst_xy

Gemeinschaft leben und Gemeinschaft anbieten, so könnte man das Anliegen einer Gruppe engagierter Laien, der Glaubensbegleiter, in einer Hertener Pfarrei zusammenfassen.

Herten. Eine Stadt im nördlichen Ruhrgebiet. Lange Zeit war sie eine der größten Bergbaustädte Europas. Im Süden liegt die katholische Pfarrgemeinde St. Antonius. Sie entstand im Oktober 2007 durch Zusammenlegung von vier der acht Kirchengemeinden im Stadtgebiet.
Hier lebt auch Margret Busch. Lange Jahre war sie in ihrer Kirchengemeinde, besonders im Pfarrgemeinderat und in der Kinderarbeit, sehr aktiv. Dann aber entfernte sie sich von der Kirche, beendete ihr Engagement in der Gemeinde und besuchte auch keine Gottesdienste mehr. Heute ist die 64-Jährige wieder in ihrer Gemeinde verwurzelt und begleitet ehrenamtlich Menschen auf ihrem Weg im Glauben.
Wie kam es dazu? Als ihre Mutter starb, hatte Margret Busch sehr ge- naue Vorstellungen davon, wie die Beerdigung gestaltet sein sollte. Sie suchte den Kontakt zum Pfarrer, war aber immer noch sehr misstrauisch der Kirche gegenüber. In Gerhard Sievers fand sie einen Ansprechpartner, der ihr zuhörte undversuchte, ihre Vorstellungen aufzugreifen und umzusetzen. „Und genau in dieser Behutsamkeit, in der Pfarrer Sievers mir und meinen Anliegen begegnete, begegnete mir auch Gott“, erinnert sie sich an diese Begegnung.
Intensiv setzte sich die engagierte Frau von da an mit ihrem Glauben auseinander und begann dort, wo auch ihre Eltern mit ihr begonnen hatten: bei der Taufe. Weil dieser Ritus die Aufnahme des Täuflings in die Gemeinde bedeutet, ging sie zu den Tauffeiern hin. „Aber da wunderte ich mich doch sehr“, erzählt sie. „Außer dem Pfarrer, der Küsterin und der Familie des Täuflings war keiner da.“ – Keine Spur von Gemeinde!
Frau Busch suchte daraufhin wieder das Gespräch mit Pfarrer Sievers, der dabei auch von seinen begrenzten Möglichkeiten erzählte, die Familien der Täuflinge zu begleiten.

„Ich wollte etwas tun!“, das war für Margret Busch schnell klar.

Und so fing sie an, Gott um eine Möglichkeit zu bitten. Eine Gruppe von Taufbegleitern schwebte ihr vor: Menschen, die zu den Familien hingingen und ihre Hilfe anboten. Und damit es nicht bei der Vision blieb, machte sie sich in der Gemeinde auf die Suche nach Mitstreitern. Dabei wollte Margret Busch vor allem junge Leute begeistern, „möglichst Eltern von Täuflingen, die selbst zu Taufbegleitern werden.“ Am 2. Februar 2001 war es so weit: Sie hatte sieben Menschen gefunden, die sich mit ihr auf dieses Abenteuer einließen.
Schon nach kurzer Zeit merkte die Gruppe, dass sich ihr Engagement nicht auf die Taufbegleitung beschränken konnte. Sie führten Gespräche mit ganz unterschiedlichen Menschen aus der Gemeinde; ganz offensichtlich war es für viele erst einmal einfacher, sich auf ein Gespräch mit den Glaubensbegleitern – wie sie inzwischen heißen – einzulassen, als mit dem Pfarrer oder anderen Hauptamtlichen. Neben den persönlichen Gesprächen bringen sie sich deshalb auch in der Kinderkatechese oder bei der Kommunionvorbereitung ein.
Mittlerweile gibt es in der Gemeinde St. Antonius in Herten 18 Glaubensbegleiter im Alter von 20 bis 64 Jahren. Immer zu zweit gehen sie in die Familie, die ihr Kind im Pfarrbüro zur Taufe anmeldet. Sie bieten Gespräche an, aber auch konkrete Unterstützung bei der Vorbereitung. Margret Busch unterstreicht energisch: „Dabei geht es uns nicht darum, die Menschen zu bekehren, wenn wir beispielsweise merken, dass sie mit der Kirche nicht viel anfangen können.“ Viel- mehr ginge es darum, zu helfen, die Taufe persönlich zu gestalten, den Kirchenraum vorzubreiten und für Fragen rund um das Thema an- sprechbar zu sein. „So vermitteln wir der Familie Sicherheit“, ist die Glaubensbegleiterin überzeugt.

Der Kern ihres Handelns sei es, „den Menschen einfach nur in Liebe zu begegnen, egal welchen Hintergrund sie haben.“

Und das sollen die Leute in der konkreten und einfühlsamen Nähe erfahren. Wenn die Eltern des Täuflings sich dann mit dem Pfarrer treffen, sind sie vorbereitet. „Das hilft mir sehr in den Gesprächen,“ unterstreicht Sievers. „Ich komme in eine Atmosphäre, in der es nicht um Formalitäten geht, sondern um das persönliche Kennenlernen.“
Zur Taufe selbst kommen – soweit möglich – alle Glaubensbegleiter, stellvertretend für die Gemeinde, um den Täufling aufzunehmen. Auch bei anderen Gelegenheiten leisten die Glaubensbegleiter praktische Hilfe. So haben sie beispielsweise zwei Erstkommunionfeiern im Pfarrheim ausgerichtet, weil sie bemerkt hatten, dass sich die Familien, eine solche Feier nicht leisten konnten.
Sich selbst mit ihrem Glauben und ihren Fragen auseinandersetzen, das ist das Grundanliegen des Teams. Deswegen treffen sie sich einmal im Monat in kleineren Gruppen, um darüber zu sprechen, sich auszutauschen und Bibelgespräche zu führen.

Alle zwei Monate treffen sich dann alle zusammen mit Pfarrer Sievers, der die Gruppe auf ihrem Weg begleitet.

Dabei geht es meist um theologische oder kirchenrechtliche Themen, und auch schwierige Fragen bleiben dabei nicht außen vor, wie beispielsweise die Stellung von wieder verheirateten Geschiedenen in der katholischen Kirche. Einmal im Jahr machen die Glaubensbegleiter einen Einkehrtag und feiern außerdem jedes Jahr den Tag ihrer Gründung mit einem Gottesdienst.
Ana Maria Fester begleitete ihren Sohn als Katechetin zur Kommunion. Dabei hat sie sich auch selbst wieder mit vielem aktiv auseinander gesetzt. Als die Kommunionvorbereitung vorbei war, fehlten ihr diese Gespräche. „Wir reden oft über das Wetter oder Fernsehen, aber nicht über das, was wir glauben“, erklärt sie das Defizit, das sie empfand. Bei den Glaubensbegleitern hat sie einen Ort gefunden, wo sie offen über ihre Zweifel und Fragen sprechen kann: „Wir versuchen eine familiäre Atmosphäre unter uns zu schaffen. Das bedeutet Offenheit, aber auch Ehrlichkeit!“ Oberstes Gebot sei dabei die Schweigepflicht, damit ein echtes Vertrauensverhältnis gewahrt wird. Gleichzeitig geben ihr die Glaubensbegleiter aber auch die Möglichkeit, die eigene Erfahrung für andere einzubringen und ihnen damit auch Mut und Zuversicht zu vermitteln: „Glaubensbegleiter kann bei uns jeder werden, der bereit ist, sein Leben verantwortlich in die Gemeinde einzubringen.“ Wer Glaubensbegleiter werden möchte, muss gefirmt sein. Alle Anwärter haben ein Jahr „Probezeit“. So können sie prüfen, ob es für sie das Richtige ist. Aber auch die Gruppe entscheidet erst nach einem Jahr, ob sie jemanden feierlich für den Dienst aufnimmt.
Wichtig für die Besuche und Gespräche ist es, nichts zu erwarten, sondern einfach zur Verfügung zu stehen, ohne zu werten. Das ist auch für Ana Maria Fester nicht immer leicht: „Es gilt einfach, sich führen zu lassen und zu sehen, was kommt.“ Häufig treffen die Glaubensbegleiter dabei auch auf Vorurteile oder die Sorge der Menschen, dass ihnen der Glaube irgendwie „übergestülpt“ werden soll. „Sicherlich,“ gesteht Margret Busch, „gibt es auch Rückschläge – wenn nichts rüberkommt oder unsere Begleitung nicht erwünscht ist.“ Und Pfarrer Sievers unterstreicht:

„Wir müssen ehrlicherweise sagen, dass viele nach der Taufe trotzdem keinen weiteren Kontakt suchen. Doch bei manchen können wir das Interesse an der Kirche über diesen Weg wecken.“

Ana Maria Fester engagiert sich auch in der Kommunionkatechese. Dabei legt sie Wert darauf, dass Kinder aus Familien, die weniger Bezug zur Kirche haben, spielerisch an den Glauben heran geführt werden. Oft werden diese Kinder auch von ihren Eltern begleitet, die sehen möchten, was in der Vorbereitung gemacht wird. Ana Maria Fester bemüht sich dann um den Kontakt zu den Eltern. Daraus entstand auch die Freundschaft zu einer Mutter, mit der sie sich oft und viel unterhalten hat. Die Mutter konnte ihre Zweifel und Fragen offen ansprechen und ist heute selbst eine Glaubensbegleiterin.

Über die Auseinandersetzung mit dem eigenen Glauben sind viele Glaubensbegleiter wieder in die Gemeinde hineingewachsen.

Das ist Margret Busch und allen anderen ein großes Anliegen: „Wir wollen keinen Klüngel, kein Clübchen im großen Club.“ Sie wollen selbst Gemeinschaft leben und Menschen, die auf der Suche sind, Gemeinschaft anbieten. Multiplikative Seelsorge nennt Pfarrer Gerhard Sievers dieses Engagement, denn „die Seelsorge liegt nicht nur in den Händen von Priestern, sondern auch von bewusst lebenden Laien.“
Meike Münz

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, November 2009)
Ihre Meinung ist uns wichtig, schreiben Sie uns! Anschrift und Email finden Sie unter Kontakt.
© Alle Rechte bei Verlag Neue Stadt, München