4. August 2012

Alexander Schmorell, Gründungsmitglied der NS-Widerstandsgruppe „Weiße Rose“

Von nst_xy

Entschieden und frei

Alexander Schmorell war Gründungsmitglied der NS-Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ und wurde im Juli 1943 hingerichtet. Die russisch-orthodoxe Kirche hat ihn fast 70 Jahre nach seinem Tod „verherrlicht“. Was hat er uns heute zu sagen?

„Als das Eis der Unvernunft den Erdkreis umfasste und die Machthaber dieser Welt sich den Götzen der gottlosen Vernunft verneigten, da stand der herrliche Märtyrer Alexander mit eifrigem Herzen und in der Glut des Göttlichen Glaubens mit seinen Gleichgesinnten auf und klagte in Schriften und Worten ihre Unvernunft an.“

Der gesungene Text aus dem Gottesdienst der russisch-orthodoxen Kirche in München für den Neu-Märtyrer Alexander Schmorell im Februar 2012 beschreibt den Grund für seine „Verherrlichung“, die einer Seligsprechung der katholischen Kirche entspricht: Als Mitglied der „Weißen Rose“ hat er Flugblätter gegen den Nationalsozialismus mitverfasst und sie verbreitet. Dafür wurde er am 13. Juli 1943 in München hingerichtet. Für Erzbischof Mark der russisch-orthodoxen Auslandskirche in Deutschland ist das Leben von Alexander Schmorell „eine klare Stellungnahme zu jeder Art von Extremismus und Diktatur“. Durch ihn sollten besonders junge Menschen lernen, „ihre Freiheit zu verteidigen“.

1917 in Orenburg im Ural als Sohn einer russischen Mutter und eines deutschen Vaters geboren, wurde Alexander russisch-orthodox getauft. Nach dem Tod seiner Mutter wuchs er in Deutschland auf. Die Liebe zur Sprache und Kultur seines Geburtslandes führte ihn zu einer unbeugsamen Ablehnung des Nationalsozialismus. Die Einberufung zur Wehrmacht konnte sein freies und kreatives Leben nicht beeinträchtigen. Musik, Literatur und Kunst bildeten ihm eine Gegenwelt zur NS-Diktatur; damit entfloh er der militarisierten Umwelt. Vermutlich im Frühsommer 1941 lernte Alexander während eines Konzertes Hans Scholl kennen. Hans war ebenso regime-kritisch eingestellt wie Alexander. Beide waren Medizinstudenten und der gleichen Studentenkompanie unterstellt. Mit weiteren gleichgesinnten Studenten und Freunden entwickelte sich aus Lese- und Diskussionsabenden die Kerngruppe der „Weißen Rose“, die ab 1942 in den Widerstand ging. Die Gespräche über philosophische Themen, Glaubensfragen und literarische Werke schufen einen starken Zusammenhalt. Dichtung wurde für sie zur Lebens- und Überlebenshilfe. Die Mitglieder der „Weißen Rose“ kennzeichnete die Achtung vor dem Anderen und dem Fremden. Sie verabscheuten Diskriminierung und Rassenhass. Diese Haltung wurde durch Einsätze ab Juli 1942 an der Ostfront bestätigt, zu denen die Medizinstudenten verpflichtet waren. Ein Mitglied der „Weißen Rose“ schrieb nach einem Russlandeinsatz: „Durch das Zusammensein mit Alex eröffnet sich mir erst so recht dieses Land. Wir haben oft bei den Bauern gesessen und gesungen und ließen uns die wundervollen alten Lieder vorspielen.“ Auch wenn Alexander den Stalinismus ebenso ablehnte wie den Nationalsozialismus, erlebte er den Aufenthalt in Russland wie eine Heimkehr.

Alexander war an allen Aktionen der „Weißen Rose“ maßgeblich beteiligt. Später gab er der Gestapo gegenüber zu, dass er und Hans die Entwürfe der Flugblätter geschrieben hatten. Von ihm stammte der Teil des II. Flugblatts, der die Ermordung von 300 000 Juden anprangerte:

„Hier sehen wir das fürchterlichste Verbrechen an der Würde des Menschen, ein Verbrechen, dem sich kein ähnliches in der ganzen Menschengeschichte an die Seite stellen kann.“

Nach der Festnahme der Geschwister Scholl am 18.2.1943 wurde er steckbrieflich gesucht und am 24. Februar festgenommen. Alexander gab seine Beteiligung an den Flugblatt-Aktionen zu und rechnete mit der Todesstrafe. Er nahm sein Schicksal an und bekannte sich entschieden zu seinem Glauben an Gott. Seine tiefe Gottesbeziehung gab ihm Kraft. Als er am 13. Juli 1943 morgens erfuhr, dass er am gleichen Tag sterben würde, schrieb er einen letzten Brief an die Eltern: „Denkt an die Millionen von jungen Menschen, die draußen im Felde ihr Leben lassen – ihr Los ist auch das meinige. … In wenigen Stunden werde ich im besseren Leben sein, bei meiner Mutter und ich werde Euch nicht vergessen, werde bei Gott um Trost und Ruhe für Euch bitten. Und ich werde auf Euch warten! Eins vor allem lege ich Euch ans Herz: vergesst Gott nicht!!!“
Bernd Aretz

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Juli /August 2012)
Ihre Meinung ist uns wichtig, schreiben Sie uns! Anschrift und E-Mail finden Sie unter Kontakt.
(c) Alle Rechte bei Verlag Neue Stadt, München