11. November 2015

Bezahlen per SMS

Von nst1

Innovativ und simpel: Eine Erfindung aus Kenia verbreitet sich.

Alles, was ein Kenianer zum Bezahlen braucht, ist ein einfaches Handy. Geldbörse, Bankkonto, Überweisungsschein oder Internetzugang sind nicht nötig. Auf seine SIM-Karte kann er dank einer speziellen Funktion ein Guthaben übertragen. Um eine Rechnung zu begleichen, braucht er nur eine SMS an den Verkäufer zu schicken mit seiner Kundennummer, der Rechnungsnummer und dem Betrag. M-Pesa heißt das System; für die Geldtransfers erhalten Nutzer eine eigene PIN-Nummer. Jede Geldübertragung – bis zu 100 000 kenianische Schilling (ca. 850 Euro) – kostet eine geringe Gebühr.

M-Pesa-"Agenten" brauchen wenig Platz. (Foto: (c) Ernst Ulz)

M-Pesa-“Agenten” brauchen wenig Platz.                (Foto: (c) Ernst Ulz)

Das Bezahlsystem hat viele Arbeitsplätze geschaffen, berichtet der Steirer Ernst Ulz, der seit fünf Jahren in Nairobi lebt: An jeder Straßenecke gebe es M-Pesa-„Agenten“; diese lizensierten Händler sitzen auch in Supermärkten oder Tankstellen, oft jedoch in eigenen, nur zwei Quadratmeter großen Buden. Bei ihnen können Kunden sich für den Dienst registrieren lassen, Gesprächsguthaben sowie Bargeld auf ihre SIM-Karte einzahlen oder es abheben. Für Ein- und Auszahlungen müssen sich die Nutzer beim Agenten ausweisen; der Geldtransfer wird direkt per SMS bestätigt.
Die Vorteile vom Bezahlen per Handy: Es ist Tag und Nacht verfügbar. M-Pesa können auch Kenianer nutzen, für die sich die Einrichtung eines Bankkontos nicht lohnt. Es spart Zeit: Weite Strecken zur nächsten Bank oder zum Geldautomaten, stundenlanges Schlangestehen im Stau oder am Schalter fallen weg. Und M-Pesa erhöht die Sicherheit, denn der Nutzer muss kein Bargeld bei sich tragen, also auch keine Angst vor Dieben haben. Bei Handy-Verlust erhält er im entsprechenden Shop innerhalb von Minuten ein Duplikat seiner SIM-Card; die alte wird gesperrt.
„M-Pesa funktioniert auch in entlegenen Gegenden,“ erläutert Ernst Ulz, „denn das Mobilfunknetz in Kenia ist sehr dicht.“ Mit dessen Ausbau habe das Land die Festnetz-Telefonie nahezu „übersprungen“.

Beim "Agenten" können Kunden sich für den Dienst registrieren lassen, Gesprächsguthaben und Bargeld auf ihre SIM-Karte einzahlen oder es abheben. (Foto: (c) Ernst Ulz)

Beim “Agenten” können Kunden sich für den Dienst registrieren lassen, Gesprächsguthaben und Bargeld auf ihre SIM-Karte einzahlen oder es abheben.                         (Foto: (c) Ernst Ulz)

Das Wort „M-Pesa“ setzt sich zusammen aus „M“ für mobile und „Pesa“, dem Swahili-Begriff für Bargeld. Der kenianische Mobilfunk-Anbieter Safaricom hat das System Anfang 2007 eingeführt; die Software sollen Studenten entwickelt haben. Bei 45 Millionen Einwohnern gab es bereits 2013 17 Millionen Nutzer. Ernst Ulz sieht M-Pesa als Beispiel für innovative Kraft aus Afrika: „Die gebildete, junge afrikanische Generation ist kreativ. Ihre Erfindungen sind oft verblüffend einfach, eben auf die afrikanischen Möglichkeiten zugeschnitten. Leider sind sie in Europa viel zu wenig bekannt.“ M-Pesa hat den Sprung geschafft: 2008 verbreitete sich das Modell in Afghanistan und Tansania, weitere afrikanische Länder sowie Indien folgten. In Europa fasst es seit Kurzem in Rumänien und Albanien Fuß.
Clemens Behr

 

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, November 2015)
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