17. Januar 2016

Morgenstern gegen Goldraub

Von nst1

Offener Brief an Schwester Stella Matutina, philippinische Menschenrechtlerin

Sehr geehrte Schwester Stella,

Gold übt auch in der digitalen Welt noch eine Faszination aus wie vor Jahrtausenden: Als Schmuck, mittlerweile auch als wegen seiner Kontakt- und Leitfähigkeit geschätztes Metall in der Elektronikindustrie, als Währungsreserve. Gold, Symbol für Reichtum, für Beständigkeit, aber auch für Gier. Um das glänzende Metall zu erbeuten, führten Europäer nach der „Entdeckung“ Amerikas vernichtende Kriege gegen die Ureinwohner.

Im Süden Ihres Landes haben die Lumad, die einheimische Bevölkerung auf Mindanao, der zweitgrößten Insel der Philippinen, seit Generationen im Einklang mit der Natur Gold geschürft und davon leben können. Bis internationale Konzerne das große Geschäft witterten und einen Goldabbau im großen Stil begannen, ohne Rücksicht auf Umwelt und Bevölkerung: Bulldozer zerstören ihre Lebensgrundlage, berauben sie ihrer Arbeitsplätze, Millionen Tonnen chemischer Substanzen vergiften Flüsse und Böden. Setzen sich die Lumad dagegen zur Wehr, werden sie vom Militär und paramilitärischen Einheiten abgestraft. „Goldraub“ nennen Sie diese Praxis.

Mit anderen Ordensschwestern, Mitstreitern und kirchlichen Institutionen geben Sie den Opfern Schutz. Sie engagieren sich gegen den Ausverkauf Ihres Landes, brandmarken die Menschenrechtsverletzungen der Konzerne und das System der Korruption, das die Unternehmen Land und Leute ungehindert ausbeuten lässt. Dafür nehmen Sie beträchtliche Gefahren in Kauf. Gegen Sie laufen mehrere Strafverfahren. Sie wissen, wie es sich anfühlt, des Nachts von Soldaten mit einem Gewehrlauf an der Schläfe bedroht zu werden. Weil Sie die Menschen in den Goldminen nicht im Stich lassen wollen, müssen Sie incognito unterwegs sein. Wir freuen uns, dass Ihr Mut und Engagement mit dem Weimarer Menschenrechtspreis gewürdigt wurde!

Sie bekamen ihn überreicht, während auf der UN-Konferenz in Paris ein Weltklimavertrag ausgehandelt wurde. Tatsächlich zeigen die Verhältnisse auf Mindanao, gegen die Sie ankämpfen, dass zwischen dem Schutz der Umwelt und dem der Menschenrechte enge Zusammenhänge bestehen. Der Raubbau an der Natur ist immer auch ein Raubbau an den Menschen, die von ihr abhängen. Ihre Arbeit ist zugleich eine Anklage: Diese Art des Wirtschaftens bewertet den Profit, der mit der Ausbeutung der Ressourcen zu gewinnen ist, höher als das Leben der Menschen, das dadurch zerstört wird!

Mit Recht tadeln Sie es als unmoralisch, wenn wohlhabende Staaten wie Kanada illegal tonnenweise Abfall auf die Philippinen schiffen, der auch noch giftig ist. „Ihr nehmt uns unser Gold und schickt uns euren Müll“, so Ihre Kritik.

Ihr Einsatz konnte ein chinesisches Unternehmen davon abbringen, Mangan und Nickel zu fördern. Wir wünschen Ihnen und Ihren Mitstreitern, dass Sie viele weitere Erfolge verbuchen können! Wir danken Ihnen für Ihr Zeugnis und hoffen, dass es Konzerne wie auch Politiker und Gesetzeshüter davon überzeugt, die Menschen und ihre Rechte zu achten und zu schützen, anstatt sie der Gewinnsucht zu opfern!

Mit freundlichen Grüßen,

Clemens Behr
Redaktion NEUE STADT

Unser offener Brief wendet sich an Stella Matutina (47), philippinische Benediktinerin. Die Vorsitzende der Vereinigung von Ordensschwestern der Inselgruppe Mindanao (über 20 Millionen Einwohner) setzt sich seit mehreren Jahren für Rechte und Schutz der indigenen Bevölkerung ein. Dafür erhielt sie am 10. Dezember auf Anregung der Hilfsorganisation Missio den Weimarer Menschenrechtspreis 2015. Ihr Name bedeutet „Morgenstern“.

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Januar/Februar 2016)
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