18. Mai 2017

Passiert

Von nst5

Aus dem Leben mit dem Wort

Seit vier Jahren wohne ich in einem Mietshaus mit acht Parteien. Wir sind mehr oder weniger flüchtig bekannt. Nach einem überfälligen freien Tag, an dem ich gefaulenzt hatte, brachte ich am Abend noch den Müll in den Keller. Wieder zurück an der Wohnungstür, brach der Schlüssel im Türschloss ab. Kein Handy, kein Geld, keine Jacke. Was tun? Ich klingelte beim Nachbarn. Der alleinstehende, ältere Herr half gerne mit seinem Handy aus. So konnte ich den Schlüsseldienst anrufen. Während der 40-minütigen Wartezeit in seinem warmen Wohnzimmer erzählte er von seinen interessanten Reisen. Das tat ihm gut. Am Ende hat sich so das Missgeschick zu etwas Wertvollem in unserer anonymen Hausgemeinschaft entpuppt.
M.O.

Ein neuer Schüler war in unsere Parallelklasse gekommen. Er war stark, scharte sofort viele um sich und meinte, er könne alle herumkommandieren. Ich ließ mir das nicht gefallen und sagte ihm meine Meinung, was natürlich nicht gut ankam. Wir begannen zu streiten und bald gerieten wir in fast jeder Pause aneinander. Ab und zu gab es sogar kleine Schlägereien. Ich fing an, ihn zu hassen. Dann bekam ich mit, dass ich im neuen Jahr ausgerechnet mit ihm in die gleiche Klasse kommen würde. Das machte mich zuerst wütend. Aber so konnte es nicht weitergehen! Ich beschloss, Schritte auf ihn zu zu machen und suchte Gelegenheiten, mich von meiner besten Seite zu zeigen, damit er auch seine Haltung mir gegenüber ändern konnte. Schritt für Schritt hat er seine Vorurteile mir gegenüber abbauen können. Nun sind wir seit einem halben Jahr zusammen in der Klasse und sogar Freunde geworden. Es lohnt sich, den ersten Schritt zu tun.
S.F.

Nach dem Umzug in ein kleines Dorf freundeten wir uns mit den Nachbarn an. Sie halfen uns sehr, uns zurechtzufinden. Wir schätzten uns gegenseitig. Dann kühlte die Atmosphäre ab. Irgendetwas war vorgefallen. Wir waren uns keiner Schuld bewusst. Aber das konnte nicht so bleiben. Noch dazu gehörten wir zur selben Pfarrei. Als an einem Sonntag das Evangelium davon sprach, sich mit dem Nächsten zu versöhnen, bevor man die eigene Gabe zum Altar bringt, schauten meine Frau und ich uns an. Danach gingen wir auf die Nachbarn zu, baten sie um Verzeihung, falls wir sie verletzt hatten. Nach einem Moment der Unsicherheit haben wir uns einfach umarmt. Erst später sprachen wir über die Ursache – ein kleines Missverständnis.
A.T.

Ich hatte die Anregung aufgeschnappt, mir einen Euro in die Tasche zu stecken und wachsam zu sein, wem ich damit eine Freude machen konnte. Mir fiel eine Familie ein, die ich schon länger begleite. Ich rief sie an und wir redeten lange. Es war echt bereichernd. Danach dachte ich: „Nimm den Euro, kauf ein paar Linsen und koch eine Suppe für sie!“ Ich wusste, wie sehr sie die mögen. Mit der noch warmen Linsensuppe besuchte ich die Familie. Ich war selbst ganz platt, welche Freude ich bei dem Ehepaar ausgelöst habe. Sie waren unendlich dankbar! Für mich die Erkenntnis: „So einfach ist es, Menschen glücklich zu machen, wenn ich auf mein Herz höre.“
K.W.

Ich war gestresst! Als Studentin im Ausland ist das Leben sowieso schon anstrengend. So hatte ich eine Prüfung nicht bestanden, obwohl ich mir sicher war, sie gepackt zu haben. Dann war eine junge Mutter krank geworden, die mich bat, an zwei Vormittagen auf ihre kleinen Kinder aufzupassen. Die nächsten Prüfungen, für die ich dringend lernen musste, standen an. Mein Handy klingelte. Eine Studienfreundin. Sie fragte, ob ich ihr helfen könne, sich auf eine Prüfung vorzubereiten. In mir ging es drunter und drüber: „Sollte ich noch mehr Zeit verlieren für andere? Was wollte Gott von mir?“ Die Liebe drängte mich, zuzusagen. So trafen wir uns samstags und lernten geschlagene vier Stunden. Am Ende strahlte sie mich an. Immer wieder dankte sie mir. Ihre Freude blieb mir das ganze Wochenende!
A.M.

Ich arbeite in einer Behinderteneinrichtung. Karl kann nur die Arme und einen Finger bewegen und spricht nur in Silben. Er kann nicht allein essen und braucht für alles Hilfe. Man könnte denken, dass er anderen wenig oder nichts geben kann. Aber von ihm habe ich gelernt, wie man sich über kleine Dinge freuen und anderen Freude schenken kann. So hat er mir an meinem Geburtstag mit Hilfe eines Sprachcomputers immer wieder gratuliert. Wir haben angefangen, am Abend gemeinsam zu beten. Er kann nicht mitsprechen, aber am Ende des „Vaterunsers“ sagt er laut und mit Freude „AMEN“. In der Früh empfängt er mich lächelnd und sagt in seiner Art: „ALTE OMA, SCHÖN“. Für den Geburtstag eines Erziehers hatte ich auf dem Sprachcomputer Glückwunsche aufgenommen, aber Karl wollte trotz der großen Mühe selbst einen ganzen Satz sprechen. Alle waren sehr berührt von dieser Geste. Für mich ist es eine große Ehre mit ihm leben und arbeiten zu dürfen. In seinen Augen entdecke ich immer wieder die persönliche und unendliche Liebe Gottes.
E.M.

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Mai/Juni 2017)
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