17. Juli 2017

Algorithmen

Von nst5

Wer im Netz unterwegs ist, hat sich daran gewöhnt, dass ihm ständig Empfehlungen serviert werden. Aber es ist kein Zufall, dass uns auf neuen Seiten, die Musik unserer Lieblingsinterpreten vorgeschlagen wird. Möglich machen das Algorithmen. Was dahinter steckt und was sie können.

Was ist ein Algorithmus?
Ein Verfahren, um eine bestimmte Aufgabe in genau definierten Schritten zu lösen, ursprünglich eine mathematische Handlungsvorschrift. Voraussetzung dafür ist ein klarer Arbeitsauftrag und dass die einzelnen Schritte auch tatsächlich machbar sind. Genau genommen sind auch Kochrezepte Algorithmen, weil sie genaue Handlungsschritte angeben (man nehme, rühre, koche), die an ein bestimmtes Ziel führen: das fertige Essen.

Was kann er im Netz?
Als Grundprinzip ist der Algorithmus eine überschaubare Sache. Aber heute, wo wir im Netz Unmengen an Daten hinterlassen und die Rechenleistung der Computer steigt, hat sich die Arbeitsweise von Algorithmen gewandelt. Sie werden im großen Stil eingesetzt, um „Datamining“ zu betreiben. Das heißt: Umfangreiche Datensätze von Usern werden in einer „Black Box“ – also anonymisiert – zusammengebracht. Algorithmen berechnen dann, ob sich daraus bestimmte Muster erkennen lassen.

Wozu dient das?
Zunächst zur Produktwerbung: Firmen rechnen mit ihrer Kundschaft. Denn wer weiß, was der User anklickt, was ihn interessiert und was er gerade braucht, hat einen klaren Vorteil gegenüber der Konkurrenz. Das Ergebnis ist Werbung, die passgenau auf den Kunden zugeschnitten ist.
Wenn man davon ausgeht, dass sich die digitale Datenmenge in zwei Jahren verdoppelt, sind Algorithmen im Netz ein mächtiges Werkzeug – wenn genügend Rechenpower da ist und die richtigen Daten vorhanden sind. Das Weltwirtschaftsforum in Davos hat 2011 personenbezogene Daten als das Öl von heute bezeichnet.

Sind Algorithmen positiv oder negativ zu bewerten?
Diese Frage sorgt immer wieder für Kontroversen. Sie machen unser Leben leichter, sagen die einen. Sie wissen alles über uns und machen uns zum gläsernen Menschen, sagen die anderen.
Es ist müßig zu fragen, ob wir Algorithmen brauchen, denn sie sind schon da, und keine Kritik und keine Gesetzgebung werden sie wieder wegbekommen. Das wäre in dieser Pauschalität auch nicht wünschenswert. Ein offenes Medium wie das Internet benötigt Suchmaschinen mit komplexen Suchalgorithmen, um nutzbar zu sein.
Aber Algorithmen können vielfältig eingesetzt werden: In den USA haben eigens entwickelte Propaganda-Algorithmen individuelle Botschaften an potenzielle Trump-Wähler geschickt. Sie versprachen dem Wähler genau das, was er erwartete. Bei diesem Direktmarketing war es unerheblich, ob das realistisch war. Das ist Manipulation.
Wissen um solche Möglichkeiten und verantwortungsvoller Umgang mit dem Internet – auch ganz praktisch durch regelmäßiges Löschen von Cookies oder „privates Surfen“, bei dem die Aktivitäten nicht nachverfolgt werden – sollte daher für Kinder, Jugendliche und Erwachsene Priorität haben.
Thomas Ballweg

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Juli/August 2017)
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