19. September 2017

Krawalle

Von nst5

Mutwillige Zerstörung, gewalttätiger Protest, Aggressivität von Gruppen: Dafür haben wir Begriffe, die laut, kriegerisch und exotisch klingen – und nicht sehr präzise. Woher kommen sie? Was bedeuten sie?

Krawall
oder Krawalle bedeutet laut Duden „Tumult mit Tätlichkeiten“, auch Aufruhr, Lärm, gegen die öffentliche Ordnung gerichtet. Krawall soll vom mittellateinischen „charavallium“ stammen, das Katzenmusik, Straßenlärm bedeutet. Es lebt im französischen „charivari“ weiter, das für Krach, Tohuwabohu steht.

Tumult
Neben „Aufruhr, Menschenauflauf“ schreibt der Duden dazu: „werwirrendes, lärmendes Durcheinander aufgeregter Menschen“. Auch hier ein lateinischer Ursprung: „Tumultus“ kann Unruhe, Aufregung, Sorge, Empörung, aber auch Aufstand, Erhebung, Kriegslärm und Kriegsgetümmel bedeuten.

Randale
Ein weiterer Ausdruck für Krawall. „Heftiger, lautstarker Protest; Rabatz“, steht hierzu im Wörterbuch. Es sei in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts aus der Studentensprache (Randal treiben) entwickelt worden und greife das schon lange nicht mehr übliche „Randal“ für „Lärm, Krach“ auf, heißt es bei Wikipedia. Das Wort könne vom italienischen „randello“ – Prügel kommen.

Formen des Protests
Von „Krawallmachern“ und „Randalierern“ war im Juli im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel in Hamburg häufig die Rede. Fraglich, ob die mutwilligen Ausschreitungen überhaupt Ausdruck von Protest sein wollten oder doch eher Zurschaustellung von Lust an Gewalt und Zerstörung. (Dass wir zu Zerstörungswut Vandalismus sagen, verdanken wir dem germanischen Volk der Vandalen, das im Jahr 455 Rom plünderte.) Glaubwürdiger jedenfalls wirkte in Hamburg der Protest der weniger öffentlichkeitswirksamen, aber zahlenmäßig wesentlich stärker vertretenen friedlichen Demonstranten.
Protest beschreibt der Duden als „meist spontane und temperamentvolle Bekundung des Missfallens, der Ablehnung.“

Friedliche Protestkultur?
„Entsteht eine neue Protestkultur?“,  fragten Medien um das Jahr 2010 herum besorgt, als mit den Demonstrationen gegen den Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs der Begriff „Wutbürger“ populär wurde. Auch andernorts begehrten Bürger verstärkt auf, wenn sie sich von den politischen Entscheidungsträgern nicht wahr- und ernstgenommen fühlten.
Dabei wissen wir spätestens seit Gandhi, wie wirksam gewaltloser Protest sein kann, wenn er kreativ und ausdauernd ist. 2009 erinnerte „Spiegel online“ an ein Beispiel aus dem Jahr 1969: Damals hatte die Straßenbahn in Hannover die Fahrpreise um ein Drittel erhöht. Das ging den Hannoveranern, die von ständig verspäteten und überfüllten Bahnen die Nase voll hatten, über die Hutschnur. Mit Privatwagen, gekennzeichnet mit einem roten Punkt, fuhren sie die Haltestellen ab. Sie schafften es, so viele Mitfahrgelegenheiten und Fahrdienste anzubieten, dass die öffentlichen Verkehrsmittel vorübergehend überflüssig wurden. Deren Einnahmen blieben aus. Nach zwei Wochen wurde die Fahrpreiserhöhung zurückgenommen; die Stadt wollte die Verkehrsgesellschaft übernehmen. Die „Aktion Roter Punkt“ erreichte ihr Ziel ohne Krawall.
Clemens Behr

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, September/Oktober 2017)
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