10. April 2009

Das All bewegt sich – aber keiner weiß warum

Von nst_xy

Die Weiten des Universums haben Menschen schon immer fasziniert. Durch die Forschung der letzten Jahre sind Galaxien näher gerückt – und entfernen sich gleichzeitig immer mehr von der Erde. Warum sie das tun, bleibt auch für die Wissenschaft noch ein Geheimnis, so der Wissenschaftsredakteur unser italienischen Schwesterzeitschrift, Giulio Meazzini, in einem Beitrag zum internationalen Jahr der Astronomie.
In fast 600 Kilometern Höhe zieht seit 19 Jahren ein Welt­raumteleskop seine Bahnen. Schon einige Male wollte die amerikanische Weltraumbehörde NASA „Hubble” -so der Name des Teleskops – aufgeben. Vor einigen Jah­ren hatte man beschlossen, keine weiteren kostspieligen Reparaturen mehr durchzuführen. Daraufhin gingen so viele Proteste bei der Behörde ein, dass diese ihre Ent­scheidung wieder zurücknehmen musste.
Sicherlich, Hubble hatte der Astronomie und Astrophysik innerhalb von wenigen Jahren einen enormen Kenntnis­zuwachs über das Universum ermöglicht. Die Proteste kamen aber bei weitem nicht nur von Wissenschaftlern. Im Gegenteil, vor allem ganz „normale” Bürger setzten sich für den Erhalt des Weltraumteleskops ein. Der Grund dafür liegt in dem, was Hubble „tut”: Mit seinen faszinierenden Bildern erschließt das Teleskop uns irdischen Wesen die Schönheit und Größe des Alls. Jedes Mal, wenn es neu ausgerichtet wird, stockt einem fast der Atem vor Staunen und Bewunderung.

Forschung
Nicht nur dank Hubble hat das Wissen um die Zusam­menhänge im All enorme Fortschritte gemacht. Noch Ende des 18. Jahrhunderts dachte man, die Sonne sei eine große Ansammlung von brennender Kohle. Man diskutierte darüber, ob die Kanäle, die an der Marsoberfläche zu sehen sind, natürlichen Ursprungs seien oder von Marsbewohnern angelegt wurden, um so die im Sommer periodisch wiederkehrenden Überschwemmungen von den Polen her auffangen und nutzen zu können. Inzwischen waren Menschen auf dem Mond, sind Raumsonden bis zu Jupiter und Saturn gelangt und haben so aus der Nähe jene Pla­neten beobachtet, die Galileo Galilei erst vor 400 Jahren entdeckte.

Innerhalb weniger Jahre ist das Universum in unserem Bewusstsein um vieles größer geworden, und seine Ausmaße übersteigen das menschliche Vorstellungs­vermögen.

Man hat herausgefunden, was die Sterne zum Leuchten bringt, wie sie entstehen und vergehen. Man weiß jetzt, dass sie Wärme spenden wie die Sonne, dass sich durch nukleare Fusionsprozesse in ihrem Inneren Elemente bilden, die auch die Grundlage des Lebens auf der Erde sind.
Schließlich hat die Wissenschaft entdeckt, dass das All sich ausbreitet, und dass sich fast alle bekannten Galaxien immer weiter voneinander entfernen. Seit einigen Jahren konzentrieren sich die Wissenschaftler jetzt auf die überraschende Erkenntnis, dass dieser Ausdehnungsprozess sich beschleunigt. Noch weiß man nicht, woran das liegt.  Studien,  Hypothesen, Ideen und Experimente diesbezüglich haben zu­genommen; unzählige Theorien werden entwickelt. Die Astronomen und Astrophysiker stehen möglicher­weise vor neuen, Bahn brechenden Entdeckungen in der Grundlagenphysik.

Zukunftsperspektiven
Selbstverständlich machen die Astronomen sich auch Gedanken über die Auswirkungen dieses Beschleunigungsprozesses. Die Szenarien vom Schicksal des Kosmos in den nächsten Hundert Milliarden Jahren sagen: Wenn wir nachts den Sternenhimmel mit bloßem Auge betrachten, sehen wir die Milchstraße mit ihren Millionen von Sternen und andere nahe Galaxien, etwa die Andromeda. Mit einem Teleskop können wir unzählige weitere Galaxien sehen. Unser Himmel ist davon hell erleuchtet. In ferner Zukunft hingegen – so die Wissenschaft – werden sich die Ga­laxien in der Nähe der Erde immer weiter aufeinander zu bewegen und schließlich in einem unvorstellbar großen Gemenge verschmelzen. Gleichzeitig werden die weiter entfernten Galaxien und Nebel nach und nach hinter dem für uns sichtbaren Horizont verschwinden. Ihr Licht wird die Erde nicht mehr erreichen. In 100 Milliarden Jahren wird der Himmel also dunkel sein. Es wird nur noch eine einzige Ga­laxis geben, deren Licht nach und nach verlischt, bis sie schließlich in sich zusammenfällt – in einem großen schwarzen Loch. Wird es dann noch mensch­liches Leben geben?
Die Erkenntnisse eignen sich bestens für Katastro­phenszenarien, die teilweise auch schon ausgemalt wurden. Dabei gilt es zwei Dinge zu bedenken. Zum einen weisen Wissenschaftler immer wieder darauf hin, dass das, was man weiß, immer noch sehr viel weniger ist, als das, was noch unbekannt ist. Solange man nicht genau vorhersagen kann, wie das Wetter in einer Woche sein wird, wie soll man da genau sagen können, wie das All in 100 Milliarden Jahren aus­sehen wird?
Der zweite Hinweis: Der Beginn der Landwirt­schaft und damit der jüngeren Menschheitsgeschichte wird auf die Zeit um 11 000 vor Christus datiert. Das ist vergleichsweise kurz, wenn man bedenkt, dass der Kosmos circa 13,7 Milliarden Jahre alt ist. In diesem relativ „kurzen” Zeitraum hat der Mensch unglaub­liche Fortschritte gemacht. Es kann zwar durchaus sein, dass die Menschheit dann aussterben wird, es könnte aber genauso gut auch Entwicklungen geben, die bisher noch unvorstellbar scheinen.
Inzwischen darf man über die Größe und Schönheit des Alls durchaus staunen.
Giulio Meazzini

Bilder des Weltraumteleskops Hubble sind zu sehen unter www.hubblesite.org/gallery

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, April 2009)
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