10. Mai 2009

Das ist wirklich erstaunlich

Von nst_xy

Es war ein Familientreffen der besonderen Art: Erstmals in ihrer über 50 -jährigen Geschichte hat sich Ende März in Castelgandolfo bei Rom die weltweite Neue-Stadt-Verlagsfamilie getroffen. 21 Buchverlage und 38 Zeitschriftenredaktionen aus aller Welt kamen zusammen, um sich über ihr Profil und ihren Auftrag auszutauschen.
Auch wenn die Palette von ganz kleinen Verlagen und Redaktionen bis zu richtig etablierten Verlagshäusern reichte, war die Atmosphäre von einer Gleichheit geprägt, wie sie vielleicht nur unter „Geschwistern” möglich ist. Ob wir uns kannten oder nicht: die Begegnungen waren gekennzeichnet von einem aufmerksamen Hinhören auf das, was jeder an Erfahrung, aber auch an Fragen und Anliegen mitbrachte, von sehr respektvoller gegenseitiger Annahme, vom Staunen über das, was überall mit höchstem Einsatz geleistet wird und schließlich von einer großen Dankbarkeit füreinander und für den Reichtum, der aus dieser Begegnung erwuchs.
Wir, von Verlag und Redaktion Neue Stadt, waren mit vielen Fragen und Anliegen im Gepäck nach Rom gereist. Erstaunlicherweise haben wir diese Liste fast unerledigt wieder mit nach Hause gebracht, ja wir haben sie in den Tagen praktisch völlig vergessen. Hätte uns zuvor jemand gebeten, unsere Anliegen zugunsten anderer Tagesordnungspunkte zurückzustellen, es wäre uns wohl sehr schwer gefallen. So jedoch geschah es ohne besonderes Zutun.
Wirklich echte, wertvolle Beziehungen – davon bin ich zutiefst überzeugt – können nur entstehen, wenn wir bereit sind, unser Eigenes zurückzustellen, um Raum zu schaffen für den anderen. Und doch ist es in der Regel fast zu viel verlangt,  wenn  man  –  gewissermaßen vorbeugend – das Eigene loslassen, „verlieren” soll.
Ich habe – auch durch die Begegnung mit den Kolleginnen und Kollegen der weltweiten Neue-Stadt-Familie in Rom – das Staunen als Zugang zu echten Beziehungen entdeckt: Staunen verlangt „große Augen”, also einen wachen, aufmerksamen Blick. Staunen erfüllt einen so sehr, dass man das Eigene – ohne es zu merken – beiseite lässt und Raum schafft für den anderen. Staunen ruft Dankbarkeit hervor, jene Haltung also, die den anderen groß macht.
Staunen – das zeigt das Interview mit der Medienpädagogin Maya Götz – wäre die richtige Haltung, um Kindern und Jugendlichen den Raum zu geben, in dem sie über ihre Vorbilder sprechen könnten. Staunen ist wohl auch die Einstellung, mit der man am ehesten alten Menschen den ihnen gebührenden Respekt entgegenbringt. Etwas mehr Staunen könnte gewiss auch den inneren und äußeren Zusammenhalt Europas und besonders der Europäischen Union fördern.
Hinhören, annehmen, staunen, danken – das ist vielleicht eine kurze Zusammenfassung jener Eigenschaften, die viele Christen mit Maria in Verbindung bringen. In den Raum, den sie geschaffen hat, in die Stille, die sie -staunend – bewahrt hat, konnte das bedeutendste Wort der Menschheits- und Weltgeschichte hineingesprochen werden und Gestalt annehmen.
Probieren Sie es einmal aus! Sie werden staunen.
Ihr
Joachim Schwind

Aus dem Staunen entspringt der Dank. Romano Guardini (Religionsphilosoph und Theologe, 1885 – 1968)
Dankbarkeit ist staunende Liebe. Und wer staunen und lieben kann, gehört zu den Gesegneten dieser Erde. Manfred Hausmann (dt. Schriftsteller. 1898-1986)
aus: Dem Staunen entspringt der Dank. Verlag Neue Stadt, 1999

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Mai 2009)
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