Den Tag wandeln
Die Chance des gemeinsamen Gebets
Kinder verändern sich. Sie werden größer, verlieren ihre Naivität, ihre Wahrnehmung wird geschult. Auch unser gemeinsames Gebet wandelt sich.
Bei Tischgebeten achten wir nicht mehr darauf, ob jedes der Kinder ein Kreuzzeichen macht. Ihrerseits bemerken hingegen die Kinder kritisch, wenn ein Elternteil nicht bei der Sache war. Das Abendgebet setzt den Schlusspunkt des Tages. Soll es schnell gehen oder greift Müdigkeit um sich, bietet sich wie in früheren Jahren ein vorformulierter Text an. Wenn jedoch ein wenig Zeit bleibt, kann man den Tag mit eigenen Worten vor Gott bringen. Zu Dank und Bitte fällt den Kindern inzwischen immer etwas ein: sei es zu eigenem Erlebten, sei es bezogen auf Menschen, die uns nahe stehen.
Neulich beschwerte sich sogar eines der Kinder, es hätte gar nicht alle Gedanken aussprechen können; das Gebet sei viel zu schnell beendet gewesen. Erstaunlich, denn kurz zuvor hatte sich dieses Kind noch dem Gebet verweigert. Albernes Getue oder demonstratives Ignorieren des Abendgebetes über Wochen hatte die anderen Kinder zuweilen empört. Wir hatten versucht, es mit Gelassenheit zu nehmen. Zu Recht, wie sich dann zeigte. Bei den Kindern variieren die Bettgehzeiten, und die Älteren nehmen sich zuweilen die Freiheit, nicht beim Gebet dabei zu sein.
Tief in unser familiäres Bewusstsein dringen Gebete ein, die einen Streit vor Gott bringen. Alles, was uns bewegt und bedrückt, können wir Gott anbieten, damit in unserem Leben Wandlung geschieht und wir uns wieder neu ins Gesicht schauen können. Dann liegt der nächste Tag wie ein unbeschriebenes Blatt vor uns. So endet der Tag oft versöhnlich, wobei auch die guten Dinge des Tages im Gebet ihren Platz finden.
Gott anzusprechen gibt uns immer wieder neu die Gelegenheit zu spüren, dass wir das Leben nicht allein meistern müssen. Er ist mit uns im Bunde.
Rita Meyer
(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Juli/August 2009)
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