10. Juli 2009

Der Frieden hielt nicht lange.

Von nst_xy

Erfahrungsberichte

Wir wohnen zwischen Nachbarn, die von früh bis spät ihrem Hobby – der Gartenarbeit – frönen. So ist für uns die Gartenarbeit eine anstrengende Angelegenheit, zumal uns auch der geschulte Blick für einen gepflegten Garten fehlt, und wir unseren wilden Garten lieben. Das führte schon öfter zu Auseinandersetzungen mit einem der Nachbarn, und die Angelegenheit wurde vor einem neutralen Schiedsgericht geschlichtet. Der Schlichter hatte dem Nachbarn zugestanden, dass er alles abschneiden dürfe, was zu ihm hinüber wächst. Allerdings müsse er es selbst entsorgen und dürfe keine Abfälle mehr in unseren Garten werfen.

Der vermeintliche Frieden hielt nicht lange. Ich war gerade vom Urlaub zurück und hatte nicht einmal die Koffer ausgepackt, da flogen vor meinen Augen wieder Steine und Gartenabfälle zu uns in den Garten. Und als sich ein paar Tage später dieses Schauspiel wiederholte, wurde es mir zuviel. „Was tun?“, fragte ich mich. Mit dem Mann war nicht zu reden. „Zahn um Zahn, das verschlimmert die Lage nur“, schoss mir durch den Kopf. „Ich möchte trotz allem versuchen, Jesus in ihm zu sehen.“ Also kaufte ich eine schöne Sonnenblume, ging etwas aufgeregt und innerlich zitternd ins Nachbarhaus, verlangte nach seiner Frau und hatte mit ihr ein schönes, wenn auch nicht ganz einfaches Gespräch. Am Ende gesellte er sich auch dazu. Das alles hatte Folgen. Im Herbst teilten wir uns einen Abfallcontainer. Während ich unseren Garten machte, konnte ich mich immer mehr in ihn hineinversetzen und nachempfinden, was ihn derart auf die Palme brachte. Er dagegen half mir, schwere Lasten in den Container zu kippen. Inzwischen ist unser Garten aufgeräumt wie noch nie und trotzdem noch wild. Ich bin glücklich, dass Gott mich die Geschichte aus einem anderen Blickwinkel sehen ließ. Durch die Hilfsbereitschaft des Nachbarn, lernte ich seine positiven Charaktereigenschaften schätzen.     U.K.
Trotzdem mochte ich ihn.

Ich mache eine Ausbildung zur  Krankenschwester und bin gerade auf einer Station für Innere Medizin. Vor kurzem hatten wir einen sehr schwierigen Patienten: 56 Jahre alt, starker Alkoholiker, und der Körper von der Erkrankung regelrecht zerfressen. Es ging ihm wirklich schlecht, und er war sehr aggressiv; wirklich kein leichter Patient. Trotzdem mochte ich ihn und die eher unbeliebte Aufgabe, ihm das Essen einzugeben, übernahm ich immer gerne.

An einem Tag ging es ihm noch schlechter als sonst. Doch die so unerbittliche Aggression dem Pflegepersonal gegenüber war wie verflogen. So hatte ich ihn noch nie erlebt. Er begann sogar zu weinen und erzählte mir, so gut er es eben noch konnte, von seinen Problemen. Ich hörte zu. Dann aß er noch ein wenig, und bevor ich das Zimmer verließ, hielt er meine Hand ganz fest und bedankte sich bei mir. Ich weiß eigentlich immer noch nicht genau wieso, aber mir kam plötzlich der Impuls ihm ein Kreuzzeichen auf die Stirn zu machen, wie meine Mutter es immer bei mir machte, bevor ich das Haus verließ.

Eine viertel Stunde später ging eine andere Krankenschwester zu ihm ins Zimmer, und da war er verstorben. Dass ich die letzte Person war, mit der er reden konnte, hatmir großen Eindruck gemacht: Ich habe mir vorgenommen, wirklich immer wachsam zu sein.
J.W

Ich hatte eine Chance verpasst.

In der Schule spielen wir oft Fußball. Es gibt da auch einen Jungen, der allen unsympathisch ist. Er kann auch wirklich nicht Fußball spielen und macht eine Menge nerviger Fehler dabei. Als wir wieder einmal spielten, habe ich mich sehr über ihn und seine Kickerei  geärgert. Ich habe ihn richtig angeschrieen und ausgeschimpft – sehr zur Freude aller  anderen, die das auch schon lange tun wollten.

Als mein Ärger ein wenig verraucht war, habe ich bemerkt, dass ich eine Chance verpasst hatte, die goldene Regel zu leben: „Was du nicht willst,  was man dir tu, das füg auch keinem anderen zu.“ So bin ich dann zu dem Jungen hingegangen und habe mich bei ihm für mein Verhalten entschuldigt. Alle anderen waren sauer auf mich. Dass ich mich bei so einem Typen auch noch entschuldige, fanden sie total blöd. Aber das war mir egal. Mir war wichtig, dass ich es doch noch geschafft hatte, die goldene Regel zu leben.
M.T.

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Juli/August 2009)
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