11. Mai 2010

Wenn ein Staat pleite macht

Von nst_xy

Griechenland ist nicht das einzige EU-Mitglied mit horrenden Staatsschulden.

Die Europäische Union ist das Resultat eines Jahrzehnte langen Entwicklungsprozesses. Die Frage nach den Auswirkungen von Schulden eines Staates auf die gesamte Gemeinschaft stellte sich spätestens mit der Einführung des Euro. Im Interesse der Stabilität der neuen Währung wurde damals festgelegt, dass die Schulden eines Staates drei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts nicht überschreiten dürfen. Sonst muss der betreffende Staat mit Sanktionen rechnen.
Nun haben in den letzten Jahren mehrere Staaten diese Grenze überschritten. Zu einem ernsthaften Problem wurde dies jetzt durch das Verhalten Griechenlands: Seit Jahren gab die griechische Regierung in Brüssel falsche Zahlen an. So meldete die konservative Regierung noch im September 2009 eine Staatsverschuldung von sechs Prozent. Die Anfang Oktober 2009 gewählte sozialistische Regierung unter Georgios Papandreou musste bereits im Dezember die Zahl nach oben korrigieren: Mit 12,7 Prozent lag sie weit über dem Stabilitätskriterium.
Die EU war geschockt. Die Verhältnisse in Griechenland entpuppten sich binnen kurzer Zeit als wahrer Sumpf. Nicht nur, dass falsche Zahlen vorlagen, weite Teile des öffentlichen Dienstes führten ein Eigenleben. In Brüssel begann man schließlich, eigene Berechnungen anzustellen. Ergebnis: Der Staat sei praktisch zahlungsunfähig.
Die Insolvenz eines Mitgliedsstaates ist für die gesamte Union gefährlich. Dies gilt insbesondere für die Eurozone, zu der auch Griechenland gehört.
Unter dem Druck der 17 anderen Staaten der Eurozone entschloss sich Papandreous Regierung, dem neu gewählten Parlament drastische Sparmaßnahmen vorzuschlagen: Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst sollen bis zu fünf Prozent gekürzt werden; es gilt ein Einstellungsstopp, und jedes Ministerium soll seine Ausgaben bis zu zehn Prozent kürzen. Papandreou will bis zum Ende dieses Jahres die Staatsverschuldung auf 8,7 Prozent herunterfahren. 2012 soll sie den Stabilitätswert von drei Prozent unterschreiten.
In der EU ist man geteilter Meinung darüber, wie man mit einem Staat verfahren soll, der praktisch pleite ist.
Die einen meinen, Griechenland muss mit seinen Schulden selbst fertig werden. Das ist leichter gesagt als getan. Zu viel Druck auf die Bevölkerung kann zu sozialen Unruhen führen, und eine Staatskatastrophe würde sich auf die gesamte EU auswirken. Deshalb sagt die Gegenposition, man müsse dann eingreifen, wenn die Griechen auf den privaten Finanzmärkten kein Geld mehr bekommen.
So ist auch der Beschluss des Ministerrates zu verstehen, für den sich vor allem die deutsche Kanzlerin Merkel und der französische Präsident Sarkozy eingesetzt haben.
Danach soll im Notfall der Internationale Währungsfonds zur Begutachtung der Lage und eventuell zur Gewährung von Finanzspritzen hinzugezogen werden. Zusätzlich können einzelne Staaten auf bilateraler Basis helfen, dies allerdings nur, wenn die EU-Partner geschlossen zustimmen. Ob dies der Weisheit letzter Schluss ist, bleibt abzuwarten.
Es muss aber etwas geschehen, bevor Länder wie Portugal, Spanien oder Italien in eine vergleichbare Situation kommen.
Die EU sollte sich außerdem Kontrollmechanismen überlegen, mit denen sie die Angaben der einzelnen Staaten überprüfen kann. Schließlich empfangen die Staaten auch Mittel aus dem EU-Topf. Da wäre es, so meine ich, auch angebracht, wenn EU-Organe – etwa das Parlament – kontrollieren könnten, ob die Voraussetzungen für den Empfang dieser Mittel vorliegen und wofür sie ausgegeben werden.
Klaus Purkott

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Mai 2010)
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