15. September 2010

Wenn Schein und Sein übereinstimmen

Von nst_xy

Die Titelgeschichte dieser Ausgabe der NEUEN STADT widmen wir einem italienischen Mädchen, das vor gut 20 Jahren an Krebs gestorben ist, aber bis heute von vielen – gerade auch jungen – Menschen als Vorbild betrachtet wird. Chiara Luce Badano hat noch immer eine solche Ausstrahlung, dass ihre Heimatdiözese ein Verfahren eingeleitet hat, um sie ganz offiziell zum Vorbild für ein christliches Leben erklären zu lassen. Als Ergebnis dieses Verfahrens wird Chiara Luce am 25. September in Rom selig gesprochen.

Ein ganz normales Mädchen! Das ist der erste und auch nachhaltige Eindruck, den man gewinnt, wenn man sich mit dem Leben der 18-jährigen Norditalienerin befasst. Da findet man keine außergewöhnlichen Ereignisse, keine besondere oder gar übertriebene Frömmigkeit, keinen heldenhaften Einsatz für andere. Chiara Luce hatte Freunde, hatte Spaß am Leben, hatte hier und da Streit in der Familie und wurde schließlich – wie manche anderen Altersgenossen – unerwartet mit einer brutalen Krankheit konfrontiert, die ihrem Leben ein frühes und schnelles Ende setzte.

Was also hat dieses Mädchen? Wenn man verklärende Aspekte beiseite räumt, die wohl unweigerlich mit so einer Seligsprechung verbunden sind, und sich um eine nüchterne Betrachtungsweise bemüht, dann bleibt als eine herausragende Qualität von Chiara Luce Badano das bestehen, was man mit dem häufig gebrauchten Begriff „Authentizität“ bezeichnet. Authentisch, so erklärt es das Wörterbuch, ist jemand, bei dem sich der unmittelbare Schein und das eigentliche Sein in Übereinstimmung befinden.

Chiara Luce Badano war authentisch. Mit anderen Worten: Sie war echt, sie war sie selbst – als sie ganz gesund war genauso wie in ihrer Krankheit und ihrem Sterben. Und zu dieser Echtheit und Normalität gehörte auch, dass sie als Mädchen eine persönliche Beziehung zu Jesus gefunden und sich entschieden hatte, ihm in ihrem Leben einen zentralen Platz einzuräumen.

Das hat dann ihre Freundschaften bestimmt, ihrer Freude am Leben eine neue Tiefe gegeben, ihre Beziehungen mit den Eltern und Geschwistern beeinflusst und ihren Umgang mit der Krankheit und dem sich nähernden Sterben geprägt. Chiara Luce Badano wollte sicher kein Vorbild sein; sie war in den entscheidenden Situationen ihres Lebens ganz sie selbst und ist darin und deshalb Vorbild geworden.

„Ihre Zeitschrift macht Mut“, hat uns in diesen Tagen eine Leserin wissen lassen. Diese Einschätzung mag daran liegen, dass wir in der glücklichen Lage sind, viele „authentische“ Menschen vorstellen zu dürfen: anonyme wie diejenigen, deren Erfahrungsberichte wir veröffentlichen; öffentliche wie die mutigen Richter am Internationalen Gerichtshof in Den Haag oder den neuen UN-Berichterstatter für Religionsfreiheit; bescheidene wie die Maklerin Ulrike Zans, engagierte wie die jungen Leute von „Carrotmobs“.

Hier und jetzt ganz echt, ganz authentisch sein, ganz zu dem stehen, wofür man sich entschieden hat, und dementsprechend leben: Das ist ein Rezept für Glück oder – wie man früher gesagt hat – Seligkeit!

Ihr Joachim Schwind

Wer andere liebt, und sie sind ihm nicht zugetan, der prüfe seine Gütigkeit.
Wer andere regiert, und sie lassen sich nicht regieren, der prüfe seine Weisheit.
Wer andere ehrt, und er findet keine Antwort, der prüfe seine Weisheit.
Wer etwas wirken will, und keinen Erfolg hat, der suche den Grund bei sich selber.
Ist seine Person recht, so fällt die ganze Welt ihm zu.
Mong Dsi (372 – 289 v. Chr.), konfuzianischer Philosoph

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, September 2010)
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