23. Juni 2012

Ein Arbeiter wollte in meine Abteilung wechseln.

Von nst_xy

Erfahrungsberichte

Mein Arbeitsumfeld in einer größeren Firma im Bereich der Elektroindustrie ist sehr international, und es gibt viele Ausbildungsniveaus. Mir war es immer ein Anliegen, mit meinem Verhalten zu einer guten Atmosphäre beizutragen. Wie man miteinander umgeht, sei wichtig, heißt es ja auch oft in Mitarbeiterfortbildungen. Ich habe es mir übersetzt mit dem Ratschlag Jesu: „Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe …“ (Joh 17,21)

So suchte ich das Gespräch mit allen – der Mitarbeiterin in der Produktion, dem Speditionsmitarbeiter, den Ingenieuren und Vorgesetzten. Nach rund drei Jahren, in denen scheinbar nichts passiert ist, gab es dann zu meiner Überraschung gleich mehrere unerwartete Rückmeldungen: Ein Vorgesetzter sagte mir, dass sein Mitarbeiter über meinen Dank und die Wertschätzung für seine Arbeit so dankbar sei, dass er neuen Elan für seine Aufgabe erhalten habe. Ein Speditionsmitarbeiter fragte mich, ob in meiner Abteilung noch eine Stelle frei sei: Er wollte auch so eine Arbeit, wo man immer fröhlich ist. Und ein Bürokollege wollte wissen, wer ihm denn am Morgen durch seine Art den Tag erhellen werde, wenn ich eine Woche in den Ferien bin. Das hat mich bestärkt, treu an meinem Vorsatz festzuhalten, auch wenn ich lange den Eindruck hatte, dass sich durch mein Leben nichts verändert und keiner es bemerkt. A.B.

Beruflich musste sich etwas ändern.
Als Chemielaborant arbeitete ich in einem Analytiklabor. Dabei war ich mit Begeisterung in der Lehrlingsausbildung tätig. Nach einigen erfolgreichen Jahren ergaben sich jedoch Differenzen mit meinem Vorgesetzten, die schließlich zu meiner Versetzung in eine Tätigkeit außerhalb des Ausbildungsbereiches führten. Ich wurde immer unzufriedener und kam mit dieser Veränderung schlecht zurecht, bis ich erkannte, dass sich beruflich bei mir etwas ändern musste, aber was?

Mit meiner Frau betete ich um die Erkenntnis, was ich tun sollte, und wir vertrauten uns ganz Gott an. Von einer Nachbarin erfuhr ich bald darauf, dass bei uns in der Region eine berufsbegleitende Lehrerausbildung für Personen mit langer Berufserfahrung beginnen würde, und meldete mich an. Nach einigen Monaten der Ungewissheit, ob man mich zum Studium zulassen und ich eine neue Stelle finden würde oder ob der eingeschlagene Weg nicht doch eine Überforderung wäre, arbeite ich nun seit vergangenem August als Physiklehrer an einer Sekundarschule und absolviere gleichzeitig die Lehrerausbildung.

War ich vorher von Frustrationen, Enttäuschungen und Aussichtslosigkeit bedrückt, gehe ich heute mit großer Erfüllung und Dankbarkeit meinem neuen Beruf nach. Im Rückblick scheint mir, dass Gott mich damals vorbereitet hat für die Aufgabe an dem Platz, an dem er mich haben wollte. P.S.

Er sollte sich ein Taxi nehmen!
Müde, aber zufrieden kam ich von Zürich nach Hause und ging nach einem kurzen Gespräch mit meinem Mann zu Bett. Doch die Nachtruhe dauerte nicht lange. Kurz nach Mitternacht klingelte unser Telefon. Die aufgeregte Stimme eines unserer Söhne ertönte – mit der bestimmten Aufforderung, ihn in Zürich am Bahnhof abzuholen. Das Fußballspiel in Basel habe ja erst nach 21 Uhr begonnen und so sei er nun bald in Zürich ohne weiteren Anschluss.

Ich begann sofort mit meiner Besserwisserpredigt – „man könnte ja vorher den Fahrplan studieren; das ist nun die logische Konsequenz“ – aber da wurde die Verbindung unterbrochen. Für mich war klar: Er sollte sich ein Taxi nehmen. Das teilte ich ihm beim nächsten Anruf auch mit. Er seinerseits erklärte mir, dass er dann lieber auf einer Bahnhofsbank auf den ersten Zug um fünf Uhr früh warten würde. Mit dem Wunsch auf eine gute Nacht beendeten wir unser Telefongespräch.

Da begann ein inneres Zwiegespräch: Neben erzieherischen Vernunftargumenten, nächtlicher Überforderung und der Hoffnung, dass er es nun endlich kapieren würde, ertönte da – zunächst leise, dann aber immer klarer – auch die Aufforderung an mich: Hol ihn ab! So schlüpfte ich, nach kurzer Absprache mit meinem Mann, wieder in meine Kleider und machte mich auf den Weg.

Unterwegs verschwand die nächtliche Müdigkeit, der Kopf wurde klarer, der Ärger wich langsam und eine innere Ruhe machte sich breit. Es war nur wenig Verkehr und ohne Umwege kam ich in rekordverdächtiger Zeit am Hauptbahnhof in Zürich an. Von weitem schon sah ich unseren Sohn, im Gespräch mit einer jungen Frau. Dankbar und glücklich, dass er nun in seinem Bett und nicht auf dem „Bänkli“ übernachten durfte, stieg er zu mir ins Auto. Sein sonstiger Wunsch, sich lange und ausführlich mitzuteilen, war mäßig und für mich sehr angenehm. Und ich musste mir auch keine Klagen anhören, dass seine Mannschaft das Spiel verloren hatte. Er war zufrieden und ich auch.

Am Morgen, nach einer kurzen Nacht, kam mir ein Bild für diese nächtliche Exkursion in den Sinn: Sich im Hören auf das Wort Gottes bewegen ist wie ein Sonnenstrahl, der in den dunklen Wald eindringt. Ein kleiner Radius Licht erhellt den Weg, führt und macht die Dunkelheit sicher. Weit sehe ich nicht, doch für den nächsten Schritt reicht es. R.G.

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Juni 2012)
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