18. März 2013

Auf Wiedersehen, Wegwerfgesellschaft!

Von nst1

Idee aus den Niederlanden: Reparatur-Cafés

Der Hocker kippelt, der Toaster verweigert seinen Dienst, eine Pedale am Fahrrad ist gebrochen, ein Wollpullover hat Mottenlöcher, der CD-Player der Hifi-Anlage hat seinen Geist aufgeben: Was tun? Dem einen ist die alte Uhr, die nicht mehr läuft, zu lieb geworden, als dass er sie auf den Müll werfen würde. Dem anderen ist ein neues Fahrrad schlicht zu teuer. In den Niederlanden hilft in solchen Fällen ein „Repair Café“. Bei einer Tasse Kaffee oder Tee wird repariert, was noch zu reparieren ist. Jeder kann sein kaputtes Gerät vorbeibringen und trifft auf einen Fachmann, der seine Fähigkeiten gratis zur Verfügung stellt, um das Problem zu lösen.
In den Niederlanden bieten mittlerweile über sechzig dieser technischen Erste-Hilfe-Zentren ihre Dienste an. Von dort ist die Idee nach Belgien übergeschwappt; auch in Deutschland gibt es schon mehrere Vereine, die sich am niederländischen Vorbild orientieren. Hinter den Repair Cafés stehen Kulturvereine oder Stiftungen. Technisch versierte, leidenschaftliche Do it yourself-Fans helfen dabei, kaputte Gegenstände und Geräte wieder in Ordnung zu bringen, völlig kostenlos oder gegen eine freiwillige Spende. Weil es ehrenamtlich zugeht und sowohl Angebot wie auch Nachfrage begrenzt sind, haben die entsprechenden Lokalitäten manchmal nur für ein paar Stunden in der Woche oder im Monat geöffnet.

Die Initiative, vor gut drei Jahren gestartet, fördert den Austausch von Kenntnissen und Fähigkeiten. Nebenbei lernen sich Leute aus dem gleichen Orts- oder Stadtteil kennen und kommen miteinander ins Gespräch. Denn hier geht es anders zu als in einem Geschäft, wo man sein nicht mehr funktionierendes Utensil zur Reparatur abgibt und gleich wieder geht: Hier nimmt man teil, geht zur Hand, fragt nach und bekommt erklärt, macht mit, arbeitet mit den Fachfrauen oder –männern zusammen. Die „Klienten“ gehen zufrieden nach Hause – nicht nur, weil der betreffende Apparat wieder funktioniert oder weil sie Geld gespart haben, sondern auch, weil sie handwerklich etwas dazugelernt haben und sie sich damit ein Stück persönliche Unabhängigkeit erobert haben.
Die Initiatoren wollen weder den Profis den Rang ablaufen noch offiziellen Reparaturwerkstätten Konkurrenz machen. Im Gegenteil: Sie wollen sie gerade fördern, indem sie der gängigen Wegwerfkultur eine Mentalität der Wiederverwertung und Wiederinstandsetzung entgegensetzen. Die Stiftung Repair Café unterstützt lokale Gruppen in Europa, die ein eigenes Repair Café eröffnen möchten.
Lorenzo Russo, Clemens Behr

repaircafe.de

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, März 2013)
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