19. März 2013

Mehr als Unterhaltung

Von nst1

Wie Filme Brücken zwischen Kulturen bauen und Menschen zu mehr Selbstbestimmung verhelfen.

„Kino ist groß, wenn es die Menschen bewegt“, so der deutsche Kameramann Michael Ballhaus 1). Eine Weise, auf die man Menschen und Gesellschaft bewegen kann, sind Kulturaustausch und „Empowerment“. Letzteres gilt als Standardbegriff in der sozialen Arbeit und meint den Prozess, der Menschen befähigt, ihr Leben selbstbestimmt, selbstbewusst und selbstverantwortlich zu gestalten. Aber was kann Film dazu beitragen?
Sehr viel, fand etwa Tom Tykwer 2) und gründete 2008 mit „One Fine Day Films“ eine alternative Produktionsfirma: Deutsche Filmemacher vermitteln Jugendlichen in Kenia Kompetenzen des Filmeschaffens. In der schöpferischen (Selbst-)Erfahrung und im Dialog bieten sich Zufluchts- und Reflektionsräume, in denen die Jugendlichen sich mit ihren Erfahrungswelten auseinandersetzen – oft sind das Gewalt, Armut, Hunger und Krankheit. Die so entstandenen Filme – „Soul Boy“ (2010), „Nairobi Half Life“ (2012) und „Something Necessary“ (2013) – machen ihre Welt dann auch in Europa sichtbar.
Oft fördern Festivals diesen interkulturellen Dialog; etwa durch das Event „Berlinale in Sendai“. Vom 28. bis 31. März sind in der japanischen Stadt Berlinale-Filme aus der Sektion „Kinderfilm“ zu sehen. In der 2011 von Tsunami, Erdbeben und Reaktorkatastrophe heimgesuchten Region sollen sie den Menschen Mut beim Wiederaufbau machen. Gleichzeitig wurden in Berlin Filme aus Sendai gespielt, die die Realität in den betroffenen Landesteilen vermitteln und zeigen, wie Menschen die übergroßen Herausforderungen positiv anpacken.

Ab 2013 widmet sich die Berlinale in einer neuen Sektion „NATIVe – A Journey into Indigenous Cinema“ außerdem den filmischen Erzählungen indigener Völker. Diese Filme machen uns Welten zugänglich, die wir so nicht kennen. Es geht aber auch um ein Empowerment der immer noch ärmeren und mittelloseren Regionen der Welt, die mit Wissen und Technologie ausgestattet werden, um sich selbst Gehör zu verschaffen.
Durch die Wirkung in breite Gesellschaftsschichten und vielfältige Regionen hinein kann Film Bewusstsein schaffen und zu gesellschaftlicher Veränderung hier wie dort führen. So erfüllt Kino in vielerlei Hinsicht den Auftrag, die Welt lebenswerter, gerechter, ökologisch nachhaltiger, friedvoller und liebevoller zu machen.
Aber wo kann man diese Filme sehen? Wenn sie nur auf Festivals gezeigt werden, ist es mit dem Kulturaustausch nicht weit her. Dort erreichen die Geschichten nur diejenigen, die ihnen ohnehin schon einen Platz einräumen. Wer sich für diese Nischenfilme interessiert, muss leider meist erst einmal eine Internetrecherche 3) über die Spielorte anstellen. Die Mühe lohnt sich jedoch! Und weil es oft dieselben Kinos sind, die solche Filme spielen, sollte man sich dann bei deren Newsletter-Service anmelden – und sich bewegen lassen.
Klara Sucher, Sophia von Waechter

1) Jg. 1935, erhielt vielfältige Auszeichnungen, darunter drei Oscar-Nominierungen; zuletzt im Januar: Ehrenpreis beim Filmfestival Max Ophüls Preis
2) Jg. 1965, deutscher Filmregisseur, Drehbuchautor, Filmproduzent und –komponist
3) etwa auf: cinema.de; film.at; cineman.ch

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, März 2013 )
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