16. Juli 2013

“VinziRast mittendrin”

Von nst1

Neues WG-Haus für Obdachlose und Studierende in Wien

Neues, unkonventionelles Wohnprojekt in Wien: In der Ende Mai offiziell eröffneten „VinziRast mittendrin“ in Alsergrund wohnen Obdachlose und Studierende in insgesamt zehn Wohngemeinschaften zusammen. Das durch Sponsoren komplett renovierte WG-Haus bietet 27 Personen Platz und beherbergt außerdem drei Werkstätten, Aufenthaltsräume, eine großzügige Dachterrasse und ein Café, das für alle offen steht.
Betrieben wird das Projekt von der Wiener Vinzenzgemeinschaft St. Stephan, die auch andere Einrichtungen für Menschen ohne Dach über dem Kopf ins Leben gerufen hat. „Es geht darum, Menschen, die von uns allen übersehen und ausgeschlossen werden, in die Mitte zu holen und ihnen Begegnung und Gemeinschaft zu ermöglichen“, erklärte Vereinsobfrau Cecily Corti die Intention.
Die Idee für das außergewöhnliche Wohn- und Sozialprojekt entstand 2009 im Rahmen der „Uni brennt“-Bewegung. Damals besetzten Studierende wochenlang das Audimax. Mit der Zeit gesellten sich in der kalten Jahreszeit auch Personen dazu, die kein Dach über dem Kopf hatten. Da habe man begonnen, sich zu überlegen, wie man diese Form der Gemeinschaft als permanente Lösung umsetzen könne, erzählte die frühere „Uni brennt“-Aktivistin Karin Stanger.
Mehr als drei Jahre sind seitdem vergangen. Auch wenn von den damaligen Protesten wenig übrig geblieben ist, arbeitete man seit 15 Monaten an dem bisher einzigartigen Projekt in dem ehemaligen Kinderwagengeschäft in Alsergrund. Seit wenigen Wochen leben nun Studenten und Obdachlose dort, wobei sie sich nicht nur die zehn WG-Einheiten teilen, sondern in Gemeinschaftsküchen zusammen kochen oder in einer der drei Werkstätten arbeiten. 280 bis 330 Euro kostet die Miete für ein Zimmer pro Monat. Im Lokal, das sich im geräumigen Erdgeschoß befindet, können neben zwei fest angestellten Köchen auch Studierende und Obdachlose stundenweise im Service mitarbeiten. Der täglich neu ausgewählte „Ein-Euro-Mittags-Teller“ soll gewährleisten, dass auch Bedürftige zu ihrer Mahlzeit kommen. In Werkstätten werden kleine Reparaturtätigkeiten angeboten: Eine Fahrrad- sowie eine Textil- und Möbelwerkstatt wurden bereits eingerichtet. Sie werden von den Bewohnern selbst organisiert und betrieben. „Wenn alles so läuft wie geplant, dann werden der Betrieb des Lokals, die Reparaturen in den Werkstätten und Spenden das Haus erhalten können“, so Stanger.
Die Vinzenzgemeinschaft betrachtet die Schaffung des gemeinschaftlichen Wohnraumes als Experiment, mit dem Obdachlose vom Rande der Gesellschaft mehr ins Bewusstsein rücken. Potenzielle Spannungen und Konflikte im Zwischenmenschlichen sollen durch regelmäßige Treffen gelöst werden. Zudem stehen ehrenamtliche Fachleute als Ansprechpartner und Projektbegleiter zur Verfügung; sie wollen sich in die Gemeinschaft der Wohnenden einbringen und damit das Zusammenleben unterstützen.
Gabi Ballweg

www.vinzirast.at

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Juli/August 2013)
Ihre Meinung ist uns wichtig, schreiben Sie uns! Anschrift und E-Mail finden Sie unter Kontakt.
(c) Alle Rechte bei Verlag Neue Stadt, München