17. September 2013

Politisch wertbeständig

Von nst1

Vor 50 Jahren, am 4. September 1963, starb Robert Schuman. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat der französische Staatsmann Europa und insbesondere das deutsch-französische Verhältnis entscheidend mitgeprägt und Geschichte geschrieben: Mit dem Schuman-Plan 1950 initiierte und übernahm er die politische Verantwortung für das bislang größte und gewagteste Vorhaben einer neuen Solidarität unter den Menschen und Völkern auf unserem Kontinent – die Einigung Europas. Sein bewegtes Leben und Vermächtnis hat Hermann J. Benning in einer neuen Biografie 1) skizziert. Ein paar Streiflichter aus seiner Gedankenwelt:

„Die heutige Welt muss erneuert werden, und diese Erneuerung muss sich die Jugend zur Aufgabe machen. Die gegenwärtigen Ereignisse und der allgemeine Zustand der Gesellschaften und Staaten erfordern ein neues Denken und Handeln; die bisher geführte Politik muss sich ändern.“

„Wir sind dazu aufgerufen, uns auf die christlichen Grundlagen Europas zu besinnen, indem wir ein demokratisches Modell der Herrschaftsausübung aufbauen, das durch Versöhnung eine ,Gemeinschaft der Völker‘ in Freiheit, Gleichheit, Solidarität und Frieden entstehen lässt, das zutiefst in den christlichen Grundwerten verwurzelt ist.“

„Das Christentum hat die Gleichheit aller Menschen von Natur her aufgezeigt, da sie alle das Antlitz Gottes als Ebenbild tragen, erlöst durch denselben Christus ohne Unterschied von Rasse, Farbe, Klasse und Beruf. Darin ist die Würde des Menschen begründet, die Auszeichnung als einzigem Geschöpf mit angeborenen universell-ewigen Werten, mit der Freiheit des Willens, was einzig den Menschen adelt. Das macht aus allen Menschen unsere Nächsten.“

„Die Einheit Europas wird nicht einzig und nicht hauptsächlich durch die europäischen Institutionen zustande kommen. Europa lässt sich nicht im Handumdrehen verwirklichen und auch nicht durch einfachen Zusammenschluss. Es wird durch konkretes Handeln in gelebter Solidarität entstehen. Handeln ist besser als aufgeben, und das Warten auf die Vollkommenheit ist eine schlechte Entschuldigung.“

„Europäer ist man nicht von Geburt, man wird es durch Bildung.”

„Jeder von uns muss ganz überzeugt sein, dass wir einander ohne Unterschied von Rang und Macht brauchen.“

„Ohne Offenheit ist kein Vertrauen möglich, aus Missverständnissen kann kein gegenseitiges Vertrauen erwachsen. Die Seele Europas wird aus der Vielfalt der Eigenheiten und Bestrebungen hervorgehen.   

1) Hermann J. Benning, Robert Schuman. Leben und Vermächtnis, Verlag Neue Stadt 2013

Robert Schuman
wurde 1886 in Clausen, Luxemburg, geboren. Er war zunächst Rechtsanwalt in Metz und ging nach dem Ersten Weltkrieg in die Politik als Vertreter Lothringens im französischen Parlament. Während des Zweiten Weltkriegs wurde er von den Nazis verfolgt. Er wurde von der Gestapo verhaftet, entging nur knapp der Deportation in ein Konzentrationslager, konnte fliehen und hielt sich in Klöstern versteckt. Nach Kriegsende reichte er als einer der führenden Politiker Frankreichs den Deutschen die Hand zur Versöhnung.
Als französischer Außenminister verkündete er am 9. Mai 1950 den zusammen mit seinem Freund Jean Monnet entwickelten „Schuman-Plan“. So wurde die Kohle- und Stahlproduktion beider Länder zur Verhinderung weiterer Kriege einer gemeinsamen Hohen Aufsichtsbehörde unterstellt. Daraus entwickelte sich die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, Vorläufer der heutigen Europäischen Union. Schuman war von 1958 bis 1960 erster Präsident der Europäischen Versammlung, aus der sich das Europaparlament entwickelte. In Anerkennung seiner Verdienste wurde ihm bislang als Einzigem offiziell der Titel „Vater Europas“ zuerkannt. In der katholischen Kirche ist sein Seligsprechungsprozess im Gang.

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, September 2013)
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