Alle mit ins Boot
Da will jemand seine Interessen durchsetzen, auf Kosten anderer, aber an den Betroffenen vorbei, weil er ihren Widerstand fürchtet:
Das ist Gemauschel, das ist arrogant, das gebiert Ungerechtigkeit. So empfinden wir es bei den Verhandlungen der EU mit den USA über ein Freihandelsabkommen, so macht es der Weltfußballverband FIFA bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien, so ist es bei Staudammprojekten im peruanischen Regenwald gelaufen.
Politische oder wirtschaftliche Macht zum eigenen Vorteil auszunutzen, funktioniert nicht. Dennoch versuchen es einflussreiche Personen und Institutionen immer wieder. Aber die Menschen lassen sich das nicht bieten. Irgendwann kommt es ans Licht, und dann stehen sie auf, protestieren, gehen auf die Straße. Leider endet das häufig in sinnloser Zerstörung und Gewalt.
Auch die Peruanerin Ruth Buendía, die wir vorstellen, hat sich gewehrt: Ein Entwicklungsprojekt drohte ihr kleines Volk auszulöschen. Sie hat gewaltlos protestiert, sachlich informiert, Überzeugungsarbeit geleistet, die legalen Mittel ausgeschöpft. Das hat dazu geführt, dass die Stimme ihres Volkes gehört, ihre Rechte anerkannt, die Pläne geändert wurden. Ein anstrengender Weg, aber er hat etwas bewirkt.
Woran liegt es, dass in Staaten wie der Ukraine, Syrien, im Südsudan Krieg herrscht, woher rühren Konflikte in Familien, auf der Arbeit, in Verbänden und politischen Parteien? Wir finden die Angst vor Andersartigkeit, vor der Vielfalt, die Befürchtung, Kompromisse schließen zu müssen und dabei zu verlieren, schlechter wegzukommen. Die Versuchung, eher zu den Waffen als zu den Mitteln der Verhandlung zu greifen. Die Illusion, den Gegner – und sei es durch Ignorieren – ausschalten und damit das Problem lösen zu können.
Miteinander zu reden, die gegnerische Seite mit ins Boot zu holen, mag unbequemer sein. Es kann länger dauern. Vielleicht weigert sich der andere. Vielleicht lässt sich die Situation damit nicht ein für allemal in den Griff bekommen; vielleicht braucht es neue Gespräche, Nachverhandlungen, wenn Wunden aufbrechen, sich neue Fragestellungen und Unzufriedenheiten im Miteinander auftun. Aber sich miteinander an einen Tisch zu setzen, führt eher zum Ziel. Ist es nicht auch eine Form, „die Feinde zu lieben“?
Unterschiede dürfen bleiben. Sie nicht einebnen, rät Udo Stenz mit dem Blick auf die vielfältigen Ansichtn in einer Kirchengemeinde.
Dennoch lohnt es sich, nach dem Gemeinsamen zu suchen, nach dem, was verbindet, nach dem Ziel, auf das man trotz der Gegensätze gemeinsam hinarbeiten kann. Das haben die unterschiedlichen geistlichen Gemeinschaften und kirchlichen Bewegungen im ökumenischen Netzwerk „Miteinander für Europa“ bereits erfahren.
Wo auch immer wir hinschauen: Für alle Seiten friedvoll und gewinnbringend geht es nur miteinander. Miteinander statt gegeneinander. Transparent und wahrhaftig statt unter der Hand und über die Köpfe hinweg.
Ihr
Clemens Behr
(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Juni 2014)
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