17. November 2014

„Wir glauben anders.“

Von nst1

Wir glauben beide an Gott, leben unseren Glauben aber grundverschieden. Ist das okay?

Eine Paarbeziehung ist die tiefste und persönlichste Beziehungserfahrung, die ein Mensch erleben kann. Idealerweise kann er darin nicht nur den anderen, sondern auch sich selbst erkennen. Umso schmerzhafter ist die Erkenntnis, dass jede noch so gute Beziehung im Zwiespalt ist zwischen Bindung und Freiheit, Nähe und Distanz, Kooperation und Rivalität.

Ich erlebe die Unterschiedlichkeit in unserer Ehe unter anderem im Glauben: Mein Mann und ich haben nicht nur sehr unterschiedliche Vorstellungen von Gott und seinem Wirken, sondern auch unsere jeweils eigenen Gotteserfahrungen. Wir merken, dass Gott jeden ganz persönlich anspricht und mit unterschiedlichen Talenten ausstattet: der eine hat seine Stärke im Gebet, der andere in der konkreten Liebe zum Nächsten. Die eigene Gottesbeziehung, die unterschiedlich stark sein kann, lässt sich nicht einfach auf den Partner übertragen. Mein Mann ist beispielsweise einige Wochen auf dem Jakobsweg gepilgert – für ihn ein tiefes Erlebnis, das uns erst einmal „auseinanderbringt“. Wir mussten akzeptieren, dass ich Gott anders erlebe und anders mit Gott lebe als er.

Im Alltag bedeutet das für uns eine echte Herausforderung: Sich frei machen davon, den Glauben des anderen nach den eigenen Maßstäben bewerten zu wollen und die eigene Art zu glauben über die des anderen zu stellen; einander freilassen und den Raum geben, die eigene Tiefe an Spiritualität zu leben, und akzeptieren, dass der Partner sich dazu ein anderes soziales Umfeld sucht; die Wachsamkeit, im Gespräch zu bleiben, einander respektvoll zuzuhören und versuchen zu verstehen.

Es scheint unvermeidlich, dass jedes Paar irgendwann auf unvereinbare Bedürfnisse stößt. Entscheidend ist, wie die Partner damit umgehen; dass sie sich nicht als gegenseitige Last empfinden, sondern mit Geduld und Liebe die Einheit in der Vielfalt suchen.
Petra Fuchs

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, November 2014)
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