11. März 2016

Wie soll das bloß gehen?

Von nst1

Erfahrungsberichte: Leben nach dem Wort Gottes 

Wie soll das bloß gehen?

Seit ein paar Monaten habe ich Kontakt zu einer jungen syrischen Studentin. Der Krieg hatte die Familie ihrer Lebensgrundlage beraubt. Das Studium der Tochter konnte nicht mehr finanziert werden. So steht sie nun ohne Unterhalt da.
Eine Woche vor Weihnachten ging ich mit ihr zu einer Beratungsstelle. An seinem letzten Arbeitstag sammelte der junge Mitarbeiter dort noch viele Informationen und schickte sie mir zu. So bekamen wir Kontakt zu einem anderen Herrn, der uns eine Stiftung empfahl, die junge Christinnen mit zinslosen Darlehen unterstützt. „Gut”, dachte ich, „jetzt feiern wir erst einmal Weihnachten und dann schaue ich mir die Webseite in Ruhe an.”
Als ich dann endlich die Zeit dazu hatte, stellte ich fest, dass der Einsendeschluss schon am 31. Dezember war. Die Studentin brauchte viele Papiere und Anschreiben und zwei Gutachten: ein seelsorgerisches und ein wissenschaftliches. Wie sollte das bloß gehen? Mir schien es unmöglich, gleichzeitig wollte ich auch in dieser Situation auf Gott vertrauen, dem nichts unmöglich ist.
Eines nach dem anderen gingen wir die Dinge an: Am 28. Dezember fuhr sie zu einem Seelsorger, der ihr das erste Gutachten schrieb. Dann schrieb sie ihrem Professor, bei dem sie seit zwei Monaten zur Vorlesung ging. „Das ist aber sehr sportlich”, war dessen verständliche Antwort. Und dann: „Aber wenn Sie morgen um 13 Uhr in der Fachhochschule sind, schauen wir, was ich machen kann. Ich kenne Sie ja kaum.”
Am 29. Dezember fuhren wir also zusammen zur Hochschule und der Professor nahm sich eine Stunde und 15 Minuten Zeit. Dann kam die junge Syrerin mit dem fertigen Gutachten heraus. Das war für mich ein Wunder! Noch am selben Tag konnten wir die Bewerbung abschicken.
R.S.

Ich stellte die Vase oben auf den Schrank.

Hin und wieder lud ich den betagten Ehegatten meiner verstorbenen Kusine ein. Als ich ihn wieder einmal abholte, reichte er mir sehr behutsam ein schön eingewickeltes „Etwas” zum Verstauen im Auto. Er war sehr besorgt, bis er das Paket gut aufgehoben wusste.
Bei mir zu Hause angekommen, überreichte er mir dann dieses „Etwas” fast feierlich. Sein Geschenk war eine sehr schöne, gebrauchte Kristallvase aus ihrem Haushalt. Sicher hatte er nicht bemerkt, dass der obere Rand an einer Stelle beschädigt war. Ich bedankte mich herzlich, denn hinter der Geste ahnte ich die Dankbarkeit, die er damit mir gegenüber ausdrücken wollte. Aber da die beschädigte Stelle mich störte, wusste ich nicht, wo ich die Vase nun platzieren sollte. Deshalb öffnete ich zunächst die Schranktür und sagte mir: „Momentan stelle ich sie hier herein, später will ich dann in Ruhe sehen, wo ich sie hinstellen kann.”
Aber dann regte sich etwas in meinem Herzen. Und ich sagte mir: „Das ist jetzt aber nicht Ausdruck der Liebe, die das Evangelium lehrt und die du doch leben willst.” Spontan stellte ich die Vase dann oben auf den Schrank. Da sie so höher stand, bemerkte man die beschädigte Stelle nicht. Mein Verwandter strahlte und sagte glücklich: „Ja, dort steht sie wirklich ganz schön.” Das empfand ich ebenso.
Die Vase steht immer noch da. Jeden Tag erinnert sie mich an die dankbare Geste des inzwischen verstorbenen Verwandten und an meine Überwindung, auch ein beschädigtes Geschenk zu würdigen. Denn das Größte ist die Liebe!
M.W.

Wir haben ihr eine Chance gegeben.

Bei mir in der Klasse ist ein Mädchen, das fast jeden Tag jemanden anlügt, auch Lehrer. Wir sind schon seit der 5. Klasse zusammen und damals habe ich mich gut mit ihr verstanden. Seit Ende der 7. Klasse – also fast ein Jahr – haben wir nun fast überhaupt nicht mehr miteinander geredet, weil sie in einer Gruppe von Leuten war, die mich nicht leiden können. Doch jetzt vor Kurzem hatte eine aus dieser Gruppe keine Lust mehr auf sie, weil sie sie ständig angelogen hatte. Nun hatte das Mädchen keinen mehr, der mit ihr redete. So kam sie dann zu meiner Freundin und mir. Obwohl ich weiß, dass sie lügt, kann und will ich sie nicht allein in der Klasse lassen. Ich weiß ja selber, wie das ist.
Meine Freundin war aber dagegen, dass sie bei uns bleibt, weil sie meint, dass man ihr nicht vertrauen kann. Zu Hause hab ich mir dann aber gedacht: Jesus hat mal zu seinen Jüngern gesagt, sie sollen nicht nur 7-mal, sondern 77-mal vergeben. Dieses Gleichnis habe ich dann rausgesucht und meiner Freundin in einer Mail geschickt. Zusammen haben wir beschlossen, es mit der anderen zu versuchen. Aufpassen müssen wir trotzdem, was wir erzählen, weil wir ihr doch noch nicht richtig vertrauen. Aber ich bin froh, dass wir ihr eine Chance gegeben haben, trotz allem, was sie gemacht hat.
N.U.

 

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, März 2016)
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