18. Oktober 2016

Nicht abgrenzen – Einheit sichtbar machen

Von nst1

Ökumenische Planungen für das Gedenkjahr der Reformation

Das Jahr 2017 steht für Christen im Zeichen der Reformation vor 500 Jahren und wird mit dem Reformationsfest am 31. Oktober weltweit als Gedenkjahr eingeläutet. Es bezieht sich auf den 31. Oktober 1517, der traditionell als Beginn der Reformation gesehen wird. Damals soll der Überlieferung nach Martin Luther seine 95 Thesen über den Ablass an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg geschlagen haben. Inzwischen gehen die meisten Historiker davon aus, dass dieser Thesenanschlag so nie stattgefunden hat, Martin Luther aber mit seinen Überlegungen eine breite Diskussion unter den Gelehrten anregen wollte. Diese sollte zu einer Reform der Kirche, nicht aber zu einem Bruch führen. Sein Ziel war die Erneuerung der Christenheit im Geist des Evangeliums.

Kardinal Kurt Koch, „Ökumene-Minister“ des Vatikans, schreibt dazu in einem Geleitwort zu dem Büchlein „Luther für Katholiken. 100 Worte.“(1): „Solche geschichtlichen Erinnerungen bedeuten, dass das Reformationsgedenken nicht mehr in derselben Weise begangen werden kann, wie dies bei früheren Jahrhundertfeiern der Fall gewesen ist, sondern gar nicht anders als in ökumenischer Gemeinschaft.“ Und: „Die neue Sicht der Reformation Luthers darf als reife Frucht des ökumenischen Dialogs gewürdigt werden, der in den vergangenen fünf Jahrzehnten vollzogen worden ist und eine tiefe ökumenische Gemeinschaft zwischen Katholiken und Lutheranern ermöglicht hat.“

Das Reformationsjubiläum wurde auf vielen Ebenen schon seit Jahren vorbereitet. Zunächst haben verständlicherweise Lutheraner viele Projekte gestartet, mit dem Wunsch, weltweit und vor Ort möglichst viele mit auf den Weg zu einer Vertiefung zu nehmen und gleichzeitig neue Impulse für die Zukunft zu setzen. Diese Überlegungen warfen gleichzeitig auch die Frage auf, ob und wie Katholiken das Gedenken begehen könnten. Vor Ort und weltweit war das auch die Herausforderung an ein vertieftes Gespräch. Inzwischen haben sich so viele ökumenische Akzente herauskristallisiert.

Der Dom zu Lund, 1104-1145 erbaut, ist der älteste Skandinaviens. - Foto: (c) Clemens Behr

Der Dom zu Lund, 1104-1145 erbaut, ist der älteste Skandinaviens. – Foto: (c) Clemens Behr

So findet der Auftakt des Feier- und Gedenkjahres am kommenden 31. Oktober in Lund, Schweden, unter dem Leitwort „Vom Konflikt zur Gemeinschaft – Verbunden in Hoffnung“ statt. Einen Gottesdienst im Dom werden führende Vertreter des Lutherischen Weltbundes (LWB) wie Präsident Munib A. Younan und Generalsekretär Martin Junge gemeinsam mit Papst Franziskus feiern.(2)

Zeitgleich findet in der Malmö Arena eine Großveranstaltung mit bis zu 10 000 Teilnehmern statt. Auch der Papst und die LWB-Vertreter wollen im Anschluss an den Gottesdienst dorthin kommen. Dann soll das Bekenntnis zum gemeinsamen Zeugnis und Dienst von Katholiken und Lutheranern in aller Welt im Mittelpunkt stehen. Der Gottesdienst wird auch im schwedischen Fernsehen übertragen und Fernsehsendern in aller Welt zur Verfügung gestellt. Außerdem wird es einen Livestream im Internet geben.

In Deutschland haben sich der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) nach einem vertrauensvollen Briefwechsel(3) ihrer beiden Vorsitzenden darauf geeinigt, das Gedenkjahr als „Christusfest“ gemeinsam zu begehen.

Jeweils neun Mitglieder der DBK und der EKD pilgern vom 16. bis 22. Oktober erstmals gemeinsam in das Heilige Land. Die Reise unmittelbar vor Beginn des Reformationsjahres 2017 bildet den gemeinsamen Auftakt zu dem Christusfest. Auf den Spuren Jesu soll die Reise an die gemeinsamen christlichen Ursprungsorte führen und so „die Verbundenheit im Glauben“ zum Ausdruck bringen. Im Mittelpunkt der Pilgerfahrt stehen den Angaben zufolge Gottesdienste, das gemeinsame Gebet an den biblischen Stätten, die Lektüre der Heiligen Schrift, der Austausch über ihre Botschaft und die Ausrichtung auf Jesus Christus.

Ein „Gemeinsames Wort zum Jahr 2017“ mit dem Titel „Erinnerung heilen – Jesus Christus bezeugen“(4) stellt das Bestreben um Versöhnung und Dialog in den Kontext der gewachsenen ökumenischen Gemeinschaft. Exemplarisch werden Erinnerungsorte beschrieben, die das kollektive Gedächtnis bis heute prägen und belasten können, um von dort aus dankbar auf die Früchte der ökumenischen Bewegung zu schauen, die offenen Fragen in den Blick zu nehmen und Wege in die Zukunft aufzuzeigen.

Von Wittenberg aus verbreiteten sich die 95 Thesen von Martin Luther gegen den Ablasshandel. Sie stehen in Latein auf der 1858 gegossenen Tür der Schlosskirche. - Foto: (c) Clemens Behr

Von Wittenberg aus verbreiteten sich die 95 Thesen von Martin Luther gegen den Ablasshandel. Sie stehen in Latein auf der 1858 gegossenen Tür der Schlosskirche. – Foto: (c) Clemens Behr

Der Prozess einer „Heilung der Erinnerung“ gehört wesentlich zu den Initiativen, die dem gemeinsamen „Christusfest“ Gestalt geben. Dabei haben ökumenische Buß- und Versöhnungsgottesdienste eine Schlüsselstellung. Die zentrale Feier eines solchen Gottesdienstes mit Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, und Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der EKD, findet am 11. März 2017 in der Kirche St. Michaelis zu Hildesheim statt. DBK und der Rat der EKD regen an, in der Folgezeit ähnliche Gottesdienste auf regionaler und lokaler Ebene zu feiern.(5)

Darüber hinaus sollen Tagungen dem gemeinsamen Gedenken Ausdruck verleihen. Bei einer davon im Herbst 2017 wollen Bischofskonferenz, EKD, Zentralkomitee der deutschen Katholiken  und der Deutsche Evangelische Kirchentag eine „ökumenische Positionsbestimmung zur Zukunft der Christen in einer zunehmend säkularen Gesellschaft“ vornehmen.

Die Initiativen zeigen exemplarisch das gemeinsame Bemühen darum, das Gedenkjahr nicht im Zeichen von „Abgrenzung“ zu begehen, sondern es – im Gegenteil – als Chance zu nutzen, „dass wir unsere Einheit im Glauben sichtbar werden lassen“. 6
Gabi Ballweg

1 Luther für Katholiken. 100 Worte. Verlag Neue Stadt 2016
2 www.lund2016.net
3 www.ekd.de/download/pm114_briefwechsel_reformationsjubilaeum.pdf
4 dbk-shop.de
5 Ein Gottesdienstentwurf, angelehnt an den Gottesdienst in Hildesheim, wird in Kürze auf www.dbk.de und www.ekd.de bereitgestellt.
6 Gemeinsame Pressemeldung von DBK und EKD vom 29.06.2015: Ökumenische Planungen für 2017

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Oktober 2016)
Ihre Meinung ist uns wichtig, schreiben Sie uns! Anschrift und E-Mail finden Sie unter Kontakt.