27. Januar 2017

Ganz füreinander da sein

Von nst5

In einer Familie muss vieles organisiert und aufeinander abgestimmt werden. Bleibt unser Menschsein dabei nicht oft auf der Strecke?

„Papa, schau mal!“ Ein Satz, den man auf dem Spielplatz häufig hört und der auf die Nerven gehen kann. Papas und Mamas sollen ihren Kindern zusehen, wenn sie ein neues Kunststück auf einem Spielgerät vollbringen: Es ist ein ureigenes Bedürfnis, gesehen und anerkannt zu werden!
In der Partnerschaft verhält es sich ähnlich. Der Partner, die Partnerin will im Alltagsstress gesehen, wahrgenommen und geachtet werden. Gegenseitiges „wertschätzendes Wahrnehmen“ gerät bei all der nötigen Organisation der Familienpläne leicht unter die Räder. Sicher, es ist wichtig, dass die Tätigkeiten der Familienmitglieder aufeinander abgestimmt werden. Aber es ist mindestens so wichtig, dass wir füreinander da sind, einander mit unseren Fähigkeiten und Schwächen annehmen: Ich verlasse meine Gedankenwelt, öffne meine inneren Ohren und mein Herz. Jetzt sehe ich dich – ich bin ganz da. Und du erzählst mir von deinem Schultag, deiner Arbeit, deinen Sorgen und Freuden. Und ich freue mich mit dir, leide mit dir und trage die Sorgen gemeinsam mit dir.
Es versteht sich von selbst, dass es dabei störend ist, nebenbei WhatsApp-Nachrichten zu lesen, ein Fußballspiel im Fernsehen anzusehen oder in einer Zeitschrift zu lesen. Obwohl ich das weiß, ertappe ich mich immer wieder dabei, dass ich nicht ganz für meinen Partner oder meine Kinder da bin. Und die spüren, dass sie nicht wirklich wahrgenommen und geschätzt werden. So lege ich Handy oder Zeitschrift beiseite und denke mir: Dieser Augenblick kommt nie wieder!
Gertrude Pühringer

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Januar/Februar 2017)
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