17. Mai 2018

Loslassen, neue Wege suchen

Von nst5

In Arbeitswelt, Kirche, Gruppen sind wir zuweilen gefordert, neue Wege zu suchen. Aber wie schwer ist es, gemeinsam hinzuhören, was dran ist, und Neues zu entwickeln! Visionäre „Traumtänzer “ fühlen sich von pragmatischen “Bedenkenträgern“ ausgebremst. Sich von Prägungen, Routinen, Bekanntem lösen: Wie kann das gehen? Wie in diesen Prozessen zu Ergebnissen kommen, die alle mittragen können?

Ansgar Bock
Führungskräftetrainer und Coach, München
„Wie kann ich als Chef in so einer Situation anders handeln?“ Mit Fragen dieser Art kommen Führungskräfte auf mich als Berater zu. Oft sitze ich ihnen erst einmal ratlos gegenüber aufgrund der scheinbar verfahrenen Situation.
Hilfreich ist es, die Situation nicht zu lange bis ins Detail zu analysieren, sondern bald den Blick nach vorn zu wagen. Wir fragen, wie eine verbesserte Situation aussehen könnte; sie muss nicht vollkommen sein. Die nächsten Schritte: Wir benennen, was bereits unternommen wurde, und versuchen, die Sichtweise der anderen Betroffenen einzunehmen. Erst dann suchen wir nach – auch verrückten – Lösungsideen. Dabei lasse ich als „neutrale“ Person meine Ideen als Anregungen einfließen, um mein Gegenüber zu ermuntern, die Situation von außen zu betrachten.
Auch wenn ich mich frage, ob ein Vorhaben für mich sinnvoll erscheint: Die Entscheidung, was zu tun ist, fällt am Ende die Führungskraft. Sie ist und bleibt verantwortlich! Meist sind es auf den ersten Blick „kleine“ Verhaltensänderungen. Hier passt der Vergleich mit einem Mobile: Schon eine kleine Berührung setzt das ganze System in Bewegung. Und darum geht es ja: Bewegung, damit etwas Neues geschehen kann.

Karl Sucher
IT-Spezialist, Friedberg-Paar
In einer Besprechung neue Abläufe zu definieren, Lösungen für Probleme zu finden, ist immer eine Herausforderung für mich. Als „alter Hase“ in der Firma kenne ich viele fehlgeschlagene Versuche, etwas zu verändern. Noch mehr aber umgesetzte Verbesserungen.
Gerade die jungen Kollegen und Werkstudenten denken anders, bringen ungewohnte Lösungsansätze ins Spiel. Manchmal bin ich sicher, dass sie nicht funktionieren, halte mich aber zurück. Ständige Nein-Sager sind mir selbst suspekt. Leicht werden Entwicklungsprozesse zu einem Kräftemessen unter Kollegen.
Die Herausforderung sehe ich darin, offen zu bleiben. Argumente hätte ich häufig genug, warum man etwas gar nicht erst ausprobieren sollte. Wenn es mir jedoch gelingt, hinzuhören, nicht gleich in Schubladen zu denken, konstruktiv mit dem Ziel vor Augen einen Lösungsweg zu suchen, entsteht oft aus dem Miteinander ein völlig unerwartetes Ergebnis. Manchmal kenne ich eine bessere Lösung und spüre, dass die Kollegen noch nicht so weit sind. Da ist Geduld gefragt. Es gibt Themen, die ich über Jahre innerlich zurückgestellt hatte, die plötzlich bedeutsam werden.
Vor Kurzem wurde unsere Firma als Fabrik des Jahres ausgezeichnet. Anscheinend war gerade unser Umgang mit den Herausforderungen etwas Besonderes.

Nina Schreiber
Psychologie-Studentin, Heidelberg
Loslassen. Jeder kennt vermutlich Situationen, in denen andere von uns neue Lösungen fordern und bewährte Strategien plötzlich nicht mehr gut genug sind. Wir möchten gerne offen und kompromissbereit reagieren und andererseits oft doch lieber alles beim Alten lassen. In solchen Momenten kann es helfen, sich Folgendes bewusst zu machen:
1. Ich darf mir zugestehen, dass ich mich nicht gut fühle! Menschen sind Gewohnheitstiere. Was wir kennen, gibt uns ein Gefühl der Sicherheit. Wird Gewohntes verändert, kann uns das Angst machen. Deshalb ist es vollkommen normal, erstmal besorgt zu sein und Neuerungen abwehren zu wollen.
2. Ich sollte mich fragen, ob ich die Kritik persönlich nehme! Wir sind schnell verleitet, Änderungsvorschläge als Abwertung unserer bisherigen Leistung zu verstehen. Dass andere neu denken wollen, bedeutet nicht, dass sie das Bisherige nicht schätzen. Es heißt, es gibt Potenzial für Verbesserungen!
3. Habe ich die richtige Einstellung? Ich muss bereit sein, mich auf andere einzulassen und dem Neuen unvoreingenommen eine Chance zu geben.
Letztendlich bedeutet Loslassen nicht nur, Vertrautes aufzugeben. Es heißt auch, neue Wege zu finden, um das eigentlich Wichtige zu erreichen: gemeinsam ans Ziel kommen.

Suchen Sie auch nach Antworten – rund um zwischenmenschliche Beziehungen?
Dann schreiben Sie uns: E-Mail oder reichen Sie Ihre Frage ein bei www.facebook.com/NeueStadt

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Mai/Juni 2018)
Ihre Meinung interessiert uns, schreiben Sie uns! Anschrift und E-Mail finden Sie unter Kontakt