25. September 2018

Neue und alte Kontakte

Von nst5

Durch Veränderungen wie Umzüge, Schul- und Arbeitsplatzwechsel, unerwartete Entwicklungen sind wir immer wieder gezwungen, Altes loszulassen und Neues aufzubauen. Oft leiden darunter vor allem Beziehungen und Freundschaften. Wie kann man diese aufrechterhalten und sich auch immer wieder auf neue einlassen?

Jörg Schlüter
ev. Pfarrer im Ruhestand, Vechta
Während meiner Dienstzeit haben meine Frau, unsere Kinder und ich dreimal gewechselt. Der Gedanke an den Wechsel kam nie von uns selbst; andere fragten: „Könntet ihr euch vorstellen, bei uns in der Gemeinde zu arbeiten?“ Wir haben hinter der Anfrage der anderen die Anfrage Gottes gesehen.
Wir hatten uns in jeder Gemeinde ein Nest gebaut, waren dort zu Hause – vor allem in den Beziehungen. Was haben wir den Gemeindegliedern zu verdanken! Sie haben ihr Leben mit uns geteilt, wir haben die Hürden auf dem Lebensweg gemeinsam gemeistert, es sind Freundschaften entstanden. Und dann der ungläubige Blick: „Wie? Ihr geht?“ – „Wir haben hier keine bleibende Stadt …“ (Hebräer 13,14) gilt auch für Pfarrer. Abschied. Tränen. Auch auf unserer Seite.
Wo immer wir neu hinkommen, wird Altes zurückbleiben müssen. Das ist so, sonst kann Neues nicht wachsen. Für meine Frau und mich war immer klar: Gott schickt uns nicht zum Arbeiten in die Wüste, sondern in Gemeinden, zu den Menschen. Wenn wir nur mit offenen Armen und Herzen auf die Menschen zugehen, werden zwangsläufig Beziehungen entstehen und wachsen.
Ist nicht das Bauen von Beziehungen auch das Kapital der Fokolar-Bewegung? Gemeinschaftliche Spiritualität, eine Art göttlich-menschlicher Dreiklang: Christus, der andere, ich. Gott nimmt uns an die Hand, wir lassen uns führen und kommen mit wunderbaren Menschen in Kontakt.

Ulrich Busch
Diplom-Psychologe, Weilrod
Neuanfänge gelingen meistens dann, wenn man unvoreingenommen, neugierig und mit Interesse auf die noch unbekannten Personen zugeht und Zeit mit ihnen verbringt.
Das gilt natürlich auch nach Umzügen, Schul- oder Arbeitsplatzwechseln. Wenn man noch an dem alten Ort und den Beziehungen dort hängt, klappt das jedoch nicht. Die Gedanken wandern dann viel zu oft zu Personen, die man gern hat, und man vergleicht neue Kontakte ganz automatisch mit ihnen. Sie kennen einen schließlich sehr gut; man weiß, was man an ihnen hat, man telefoniert oder chattet lange mit ihnen. Oft stellt sich dann Wehmut ein und man sehnt sich an den alten Ort zurück. Hier tut eine bewusste Entscheidung doppelt not, es mit dem Neuen zu versuchen.
Neue Kontakte fordern viel Zeit ein, wenn man sich darauf einlässt. Alte Beziehungen kommen auf den Prüfstand. Viele können nicht mehr ausreichend gepflegt werden, sie verblassen. Das gilt noch einmal mehr bei häufigen Wohnungswechseln. Auf sehr nahe Personen aus alten Orten sollte man dennoch nicht verzichten, auch durch regelmäßige Besuche oder gemeinsame Aktivitäten. Sie können durch das ganze Leben begleiten.

Irmgard Knab
Religionslehrerin, München
Innerhalb von zweieinhalb Jahren bin ich zweimal umgezogen. Wichtig war, diesen Schritt jeweils bewusst und entschieden zu machen. Während mir der Abschied nach 30 Jahren aus Augsburg schwerfiel, hatte ich beim zweiten den Eindruck, etwas Unvollendetes zu hinterlassen. Um mich auch innerlich lösen zu können, war mir wichtig, „alle“ zu einem Fest einzuladen.
Mit manchen ist ein Kontakt unabhängig vom Ort geblieben. Von Zeit zu Zeit melde ich mich durch eine E-Mail, einen Anruf, eine WhatsApp, einen Besuch. Es freut mich, dass diese Beziehungen bleiben und wertvoll sind. Aber: Nicht alle kann ich halten. Mir hilft, diese Menschen Gott anzuvertrauen.
Für den Neuanfang hatte ich mir vorgenommen, erst mal zu sehen, wie die Schule und die Menschen dort „ticken“, ohne gleich alles selber machen zu wollen oder zeigen zu müssen, was ich „drauf“ habe. Die Gegebenheiten sind anders, aber bei den Menschen geht es letztlich um Entgegenkommen und Wertschätzung – wenn ich mal Süßigkeiten mitbringe, um mich für Hilfe zu bedanken, beim Spendenlauf für Kinder in Afrika mitmache oder an Festen und Veranstaltungen, soweit möglich, teilnehme.
Nach einem Jahr merke ich den Gewinn aus dieser Erfahrung: eine neue Flexibilität, mich auf Neues gelassener und zuversichtlich einzulassen; Freude über Anerkennung und Wertschätzung an den neuen Schulen; neue, interessante Beziehungen und Kontakte.

Suchen Sie auch nach Antworten – rund um zwischenmenschliche Beziehungen?
Dann schreiben Sie uns: E-Mail oder reichen Sie Ihre Frage ein bei www.facebook.com/NeueStadt

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, September/Oktober 2018)
Ihre Meinung interessiert uns, schreiben Sie uns! Anschrift und E-Mail finden Sie unter Kontakt