20. November 2018

Passiert

Von nst5

Aus dem Leben mit dem Wort

Beim Sommertreffen wollte sich am drittletzten Tag ein Groll in mir festsetzen. Morgens hatte ich einen jungen Familienvater gegrüßt und keine Antwort erhalten. Bevor ich aber weiter darauf „herumkaute“, fragte ich mich, worum es bei dem Treffen ging: Gutes zu tun und zu sehen. So habe ich mich in seine Lage versetzt und fand mindestens eine Entschuldigung für sein Verhalten: Er suchte vielleicht seine Familie, war noch müde und mit den Gedanken irgendwo anders. Abends traf ich nach dem Abendessen auf ihn und seine Frau. Wir stellten uns gegenseitig vor und sie luden mich ein, an ihrem Tisch Platz zu nehmen. Ich konnte mich frei und ohne inneren Groll darauf einlassen. Wir haben uns locker unterhalten und herzlich gelacht.
K.R.

Neulich war ich am Morgen zu früh in der Schule. Weil mir langweilig war, bin ich ein bisschen in der Stadt herumgelaufen. Ich sah eine offenbar ausländische Frau ganz allein auf einer Bank sitzen. Zuerst habe ich mich nicht getraut, doch dann habe ich mich neben sie gesetzt und ein Gespräch angefangen. Sie war zuerst ein bisschen überrascht, hat jedoch sofort davon erzählt, wie sehr sie ihre Familie vermisst, die nicht in ihrer Nähe wohnt, und wie gut es tat, jemandem erzählen zu können, wie es ihr geht. Sie hat mir erzählt, dass sie früher große Feste mit ihrer Familie gefeiert hatte. Doch dann kam der Krieg und sie musste flüchten. Mir hat es für den Rest vom Tag so ein starkes Gefühl gegeben, weil ich die Freude der Frau spürte.
J. (15 J.)

„Zeige mir, Herr, deine Wege, lehre mich deine Pfade.“ (Psalm 25,4)
Beim Abendessen hatte ich einen Disput mit einem Mitbruder unserer Ordensgemeinschaft. Er hatte wieder einmal Abmachungen unterlaufen. Ich hatte ihn allerdings aggressiv angegriffen. Das tat mir anschließend leid. Was tun? „Herr, lehre mich deine Wege!“ – Am Morgen fühlte ich mich angetrieben, diesem Bruder einen Brief zu schreiben, worin ich ihn um Entschuldigung bat für mein barsches Verhalten. Dabei habe ich aber auch versucht, ihm meine Sicht zu erklären. Dies hat mir den Frieden zurückgeschenkt, und ich konnte ihm beim Frühstück wieder offen begegnen und auch er war entspannt.
R.Z.

Eines Abends saß ich während unseres Camps mit meinen Schwestern und einigen Freunden zusammen. Wir hatten viel Spaß. Ich sah, dass zwei Jungen allein an einem Tisch saßen und mit ihrem Handy beschäftigt waren. Ich hatte den Eindruck, dass sie sich alleine fühlten. So entschied ich mich, sie anzusprechen. Sofort steckten sie ihre Handys weg und setzten sich zu uns. Wir sprachen über Schule, übers Reisen, über Gott und die Welt. Dann gesellten sich noch mehr Leute dazu. Es war richtig lustig und schön. In den Augen der beiden Jungs sah ich die Freude, mit dabei sein zu dürfen, und in meinem Herzen war die gleiche Freude, dass ich den Augenblick beim Schopf gepackt hatte.
E.M.

Die Schule hatte wieder begonnen und so galt es, in unserer Klasse einen Kurssprecher zu wählen. Eine Mitschülerin hatte mich vorgeschlagen. Anfangs war ich mir alles andere als sicher, ob ich tatsächlich zusagen sollte. Dann fiel mir ein Motto aus unserem Sommer-Camp ein: „Sei offen im Augenblick!“ Das hat mich total ermutigt und so habe ich zugesagt. Und dann spürte ich wieder diese tiefe Freude, die ich oft im Camp erlebt hatte.
P.G.

Seit Längerem kümmere ich mich um meinen bettlägerigen Mann. Damit ist mein Aktionsradius sehr eingeschränkt. Eine Einladung zum Klassentreffen, das für mich eine dreistündige Fahrt bedeutet, flatterte ins Haus. Mir war sofort klar, dass ich meinen Mann über Nacht nicht allein lassen und somit auch nicht zu dem Klassentreffen fahren konnte. Meine Tochter kam mit ihren Kindern zu Besuch. Eher zufällig sah sie die Einladung auf dem Küchentisch liegen und fragte, ob ich teilnehmen wolle. Sofort fügte sie hinzu: „Selbstverständlich bleibe ich die zwei Tage bei Papa!“ Und auch ihr älterer Sohn sagte: „Ich bleibe auch bei Opa, damit er nicht allein ist!“ Seit Langem konnte ich mal wieder zwei Tage unsere kleine Wohnung verlassen.
A.H.

Ich hatte die Aufgabe, mich um einen Schüler zu kümmern, der Drogen genommen hatte. In diesem Fall müssen die Schüler eine Woche ihrer Klasse fern bleiben. Aber um zu verhindern, dass diese freie Zeit ihn erst recht auf Abwege führte, habe ich dafür gesorgt, dass er die Zeit in einer Gruppe verbringen konnte, und wenn er in die Schule kam (in die Schule durfte er, aber nicht in die Klasse) habe ich die Zeit mit ihm in der Bibliothek verbracht. Dort habe ich ihn unterrichtet, damit er nicht den Anschluss an die Klasse verliert. Während dieser mühevollen Kleinarbeit wurde mir klar, dass Nächstenliebe sehr konkret sein kann.
M.M. (Spanien)

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, November/Dezember 2018)
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