18. November 2019

Indigene

Von nst5

Im Rahmen der Amazonassynode im Oktober im Vatikan war oft von den „Indigenen“ die Rede. Auch im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen taucht der Begriff immer wieder auf. Wer ist damit gemeint?

Was bedeutet “indigen”?
Die Völker Amerikas vermeiden die Begriffe Indios und Indianer. Denn sie beruhen auf Kolumbus’ Missverständnis, Indien erreicht zu haben, als er auf dem amerikanischen Kontinent landete. Sie nennen sich spanisch „pueblos indígendas“ – eingeborene Völker, wovon „indigen“ abgeleitet ist. Indigene sind Nachkommen der Urbevölkerung eines Landes oder einer Region, die dort bereits vor der Eroberung, Besiedelung oder Kolonialisierung durch andere Völker lebte. Sie sind meist sehr eng mit ihrem Lebensraum verbunden und pflegen ihre kulturelle Identität und Traditionen. Bedeutungsgleich ist „autochthon“: von eigener Herkunft, alteingesessen, einheimisch. Die Begriffe „Eingeborene“, „Ureinwohner“ oder „Naturvölker“ werden nicht mehr verwendet wegen ihres kolonialen, primitiven, unterentwickelten oder romantisierenden Beiklangs.

Wie viele Indigene gibt es?
370 bis 450 Millionen Menschen weltweit oder rund 5 000 Völker – allein
1 000 davon auf der Insel Neuguinea. Sie sprechen den Großteil der rund
7 000 auf der Erde vertretenen Sprachen.

Sind sie gefährdet?
In vielen Ländern ist ihr Lebensraum bedroht wegen der dort vorkommenden Rohstoffe oder aufgrund von Interessen, ihn landwirtschaftlich zu nutzen. Wo Landrechte nicht geklärt sind, haben es Großgrundbesitzer und Konzerne leicht, ihnen Grund und Boden streitig zu machen. Das beraubt sie ihrer Lebensgrundlage. Viele leben in Armut. Wegen ihrer Lebensart, Sprache und Tradition werden Indigene oft diskriminiert und unterdrückt; ihre eigenen Länder verwehren ihnen das Recht auf Selbstbestimmung. Obwohl ihnen all das die 2007 von 143 Staaten angenommene „UN-Erklärung über die Rechte indigener Völker” zugesteht.

Wer setzt sich für sie ein?
Indigene Völker haben im Lauf von Jahrtausenden bewährte und an ihre Umgebung angepasste Lebensstrategien entwickelt. Dazu gehören Werte wie Nachhaltigkeit, die die moderne, globalisierte Welt gerade erst neu für sich zu entdecken beginnt. Sie haben Kenntnisse und Erfahrungen, die andere Völker nicht haben und die die Menschheit in ihrer Vielfalt bereichern. Daher machen sich Menschenrechts-, aber auch Umweltschutzorganisationen für sie stark, ebenso die Kirchen. Sie organisieren sich aber auch selbst in Verbänden, um sich Gehör zu verschaffen.

Warum beschäftigen sich die Kirchen mit ihnen?
Manche Indigene gehören traditionellen Religionen an, andere sind Christen. Kirchen und kirchliche Hilfswerke unterstützen alle Indigenen in ihren Rechten und Bedürfnissen, unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit, und begleiten die christlichen in ihren Glaubensvollzügen. Im Oktober hat sich eine Bischofssynode in Rom mit der Situation der katholischen Kirche im Amazonasgebiet befasst und dabei auch die Probleme der indigenen Bevölkerung in den Blick genommen. Dort leben die Gemeinden sehr weit verstreut, oft unter schwierigen Lebensbedingungen, mit nur wenig seelsorglichem Personal.
Clemens Behr

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, November/ Dezember 2019)
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