17. März 2020

Gemeinsam auf der Suche

Von nst5

Vom 30. Januar bis 1. Februar fand in Frankfurt am Main die erste Plenarversammlung des „Synodalen Wegs “ der katholischen Kirche in Deutschland statt. Gabi Ballweg vertritt dabei die Fokolar-Bewegung. Persönliche Eindrücke und Einschätzungen.

Um es gleich zu sagen: Ich bin dankbar dafür, wie der „Synodale Weg“ gestartet ist! Selbstverständlich bleibt noch vieles zu tun, und natürlich ist ein guter Start noch keine Garantie, dass dieser außergewöhnliche Weg, den die katholische Kirche in Deutschland eingeschlagen hat, „gelingen“ wird. Auch weil die Vorstellungen davon, was denn ein Erfolg wäre, nicht eindeutig sind.

Transparenz: Von einer Empore aus konnten Pressevertreter die Versammlung direkt mitverfolgen. – Alle Fotos: (c) Synodaler Weg/Malzkorn

Es ist ein Weg ins Ungewisse – und was den einen Grund zur Hoffnung ist, ist für andere Anlass zu extremer Sorge. Sogar von Kirchenspaltung ist die Rede. Als „neues Format“ hat der Bochumer Theologieprofessor Thomas Söding das Unterfangen bezeichnet. Dass an manchen Stellen improvisiert wurde, war spürbar – und wer wollte, konnte das auch im Livestreaming miterleben. Transparenz spielt eine zentrale Rolle in den Beratungen um Missstände in kirchlichen Strukturen. Dass die Öffentlichkeit das Ereignis im Livestreaming verfolgen und 145 Journalistinnen und Journalisten im Saal sein konnten, war ein deutliches Signal.
Schon die Beratungen im Vorfeld hatten gezeigt, dass es für den zweijährigen Prozess keine Modelle gibt, trotz aller Erfahrung der beiden tragenden und großveranstaltungserprobten Institutionen – Bischofskonferenz (DBK) und Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK). Formen und Stil müssen Schritt für Schritt gemeinsam gefunden werden. Von einem „Experiment“ sprach auch Kardinal Reinhard Marx bei der Eröffnung. Unbekanntes, neues Terrain für alle Beteiligten. Nicht nur deshalb waren wohl die meisten der 230 Delegierten mit gemischten Gefühlen nach Frankfurt gereist. Trotzdem lag freudig knisternde Atmosphäre über dem ersten Zusammentreffen: Im viel zu kleinen Dompfarrsaal ergaben sich erste Kontakte – zwischen der Vertreterin des Diözesanpastoralrats und dem Delegierten des Priesterrats, der Jugendlichen und dem Theologieprofessor, der Ordensfrau und dem Verbandsvertreter.

Delegierte erzählen beim Eröffnungsgottesdienst, warum sie glauben und warum sie den “Synodalen Weg” mitgehen.

Wie breit die Synodalversammlung aufgestellt ist, blitzte auch bei der Eröffnung auf. Nach dem feierlichen Gottesdienst – dabei Bischöfe, Priester, Ordenschristen, Laien, Junge und Ältere, Frauen und Männer bunt gemischt in den Kirchenbänken – erzählten sechs Delegierte, warum sie glauben und nun dabei sind. Pfarrer Christian Kobert aus Magdeburg hat erst nach dem Fall der Mauer zum Glauben gefunden und freut sich an der Freiheit, die er darin erfährt. Gemeindereferentin Michaela Labudda beschreibt ihren Glauben zwischen Hoffen und Zweifeln; sie engagiert sich in der Kirche „trotz aller Strukturen und der schmerzlichen Erkenntnis, dass ich durch meine Arbeit ein System stütze, das Schuld auf sich geladen hat“. Bischof Stefan Oster von Passau will in der Kirche Gott verherrlichen und sorgt sich um die geistliche Dimension des Glaubens und auch des Synodalen Weges. Unter die Haut gehen auch die Zeugnisse von Michaela Brönner von der Kolpingjugend, der Benediktinerin und geistlichen Begleiterin Philippa Rath sowie Christian Gärtner, Diözesanratsvorsitzender aus Eichstätt. Weil deutlich wird: Hier sind Menschen, die aus ihrem Glauben leben und sich engagieren.

Eines der Kennzeichen der ersten Synodalversammlung: intensiver Austausch.

„Einander in Respekt zuhören“ und „sich nicht gegenseitig die Frömmigkeit absprechen“, hatte ZdK-Präsident Thomas Sternberg zuvor als Wunsch formuliert – trotz unterschiedlicher Standpunkte. Und die gibt es. Gerade bei den neuralgischen Themen, die zu behandeln sind. Schließlich hat man sich nicht deshalb zusammengefunden, weil alles in der Kirche schön und anziehend ist. Trotzdem wissen alle Beteiligten um deren Schatz und stehen dafür. Die Aufdeckung der Missbrauchsfälle und der daraus resultierende Vertrauensverlust machen es notwendig, sich den in der MHG-Studie(1) angesprochenen Fragen zu stellen. Auch wenn diese unangenehm sind. Es geht um Macht und Gewaltenteilung, um priesterliche Existenz heute, die Beteiligung von Frauen und um Fragen von Sexualität und Partnerschaft.
Doch vorher sind noch Hürden zu überwinden. Zunächst die, seinen Platz zu finden; wobei die alphabetische Sitzordnung in „interessante Nachbarschaften“ führte. Dann mussten gemeinsame Spielregeln in einer Geschäftsordnung festgehalten werden. Eine trockene Materie, aber mitentscheidend dafür, wie später Beschlüsse gefasst werden. Es wurde heftig diskutiert. Vor allem ging es um Fragen der Partizipation und der Transparenz. So war die Satzung im Vorfeld von DBK und ZdK in ihren jeweiligen Vollversammlungen beschlossen worden. Außer den 69 deutschen Bischöfen und 69 Delegierten des ZdK gehören 92 weitere Delegierte zur Synodalversammlung – junge Menschen unter 30, Vertreter der Priesterräte, Ordensobernkonferenz, kirchlicher Berufsgruppen und der Generalvikare. Sie waren an den Vorüberlegungen nicht beteiligt und hatten nun Anfragen. Vor allem lag darunter ihre Sorge, dass DBK und ZdK das „Heft nicht aus der Hand geben“ und sie selbst nur Alibifunktion hätten.

Dichtes Programm, engagierte Diskussionen.

Die Frage nach Transparenz und Partizipation zog sich auch durch die Besetzung der Foren: In diesen sollen die vier Themenbereiche zwischen den Synodalversammlungen bearbeitet werden. Wie können möglichst viele beteiligt sein und die Gruppen doch arbeitsfähig bleiben? Würden nämlich alle Delegierten mitarbeiten und auch noch „externe Fachleute“ eingeladen, wären diese mit über 60 Personen besetzt; konstruktive Arbeit in kurzer Zeit wäre kaum möglich.
Solche Diskussionen sind mühsam, aber notwendig. Als nach dreieinhalb Stunden eine große Mehrheit für die Geschäftsordnung stimmte, konnte nicht nur Marc Frings, ZdK-Generalsekretär, erleichtert verkünden: „Habemus Geschäftsordnung“.
Auch wenn man verbindliche Verfahren braucht, der Synodale Weg soll ein geistlicher sein. Deshalb stehen zwei geistliche Wegbegleiter an der Seite der Synodalversammlung. Mit kurzen Impulsen, „EinHalt“ genannt, halfen sie, den inneren Fokus auf das Wirken des Geistes auszurichten. Beeindruckend die Sammlung in diesen jeweils 15 Minuten – auch als es dann in die Sachfragen ging. Dabei kam alles auf den Tisch: die Überlastung der Priester, die Idealisierung von Ämtern und Personen, Klagen über festgefahrene Machtstrukturen, Fragen und Betroffenheit im Themenbereich „Sexualität und Partnerschaft“, die Sorge, dass man den Glaubensschatz der kirchlichen Lehre leichtfertig aufs Spiel setzt, Fragen um die Beteiligung von Frauen.

Intensives Zuhören: Peter Neher, Präsident des Deutschen Caritasverbandes

Damit muss jetzt gearbeitet werden. Die große Herausforderung wird sein, das – wie in Frankfurt – mit demselben gegenseitigen Wohlwollen, dem Freimut und der Bereitschaft, aufeinander und auf den Geist zu hören, anzugehen. Dann besteht Hoffnung, dass der Weg auch zu Ergebnissen führen wird. Klar ist, dass Voten in drei Kategorien gefasst werden müssen: Was kann in Deutschland umgesetzt werden? Was ist dem Papst vorzulegen? Was kann nur ein Konzil entscheiden?
Der Synodale Weg ist ein Experiment. Thies Gundlach von der Evangelischen Kirche und einer von 25 Beobachterinnen und Beobachtern(2) sprach von einem „Eingriff am offenen Herzen“. Das ist nicht ohne Risiko. Es kann schief gehen. Aber warum sollten nicht gerade das Bemühen um eine Haltung der gegenseitigen Liebe und das Vertrauen auf Gott, der sicher mit in diesem Boot sitzt, etwas Großes und Unerwartetes ermöglichen? Klar ist: Es lohnt sich, den Weg zu begleiten – in der Presse, auf der Homepage(3) und vor allem mit dem Gebet.

Eröffnungsgottesdienst zur ersten Synodalversammlung vom 30. Januar bis 1. Februar 2020 in Frankfurt – Alle Fotos: (c) Synodaler Weg/Malzkorn

Der Synodale Weg
Nach den Erschütterungen durch die Missbrauchsskandale in der katholischen Kirche haben die deutschen Bischöfe im März 2019 einen Synodalen Weg beschlossen. Er soll der gemeinsamen Suche nach Antworten auf die gegenwärtige Situation dienen und nach Schritten zur Stärkung des christlichen Zeugnisses fragen.
Der auf zwei Jahre angelegte Weg begann am ersten Advent 2019. Oberstes Organ ist die „Synodalversammlung “, die zu vier Plenarsitzungen in Frankfurt am Main zusammenkommen wird. Für die thematische Erarbeitung sind vier „Synodalforen “ zuständig: „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche – Gemeinsame Teilnahme und Teilhabe am Sendungsauftrag “, „Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft “, „Priesterliche Existenz heute “, „Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche“.
In seinem Brief „an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland “ (29. Juni 2019) hat Papst Franziskus die deutsche Kirche in ihren Bemühungen bestärkt.

Gabi Ballweg

1) Zur Erhebung der Fälle sexuellen Missbrauchs im Bereich der katholischen Kirche hatten die Bischöfe eine wissenschaftliche Studie in Auftrag gegeben. Daran arbeiteten Institute aus Mannheim, Heidelberg und Gießen – MHG. Die Ergebnisse wurden im September 2018 vorgestellt.
2) Eingeladen sind in ökumenischer Verbundenheit Personen aus anderen Kirchen und, um die Anbindung an die Weltkirche auszudrücken, auch aus Nachbarländern.
3) www.synodalerweg.de

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, März/April 2020)
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