2. Dezember 2020

WORT DES LEBENS – PLUS

Von nst5

Selig, die Leid tragen!

„Selig, die Trauernden, denn sie werden getröstet werden!“ Oder, wie Martin Luther das „Wort des Lebens“ für November übersetzt: „Selig, die Leid tragen, …!“
Trauer steht für etwas, das wehtut, uns betrübt, belastet. So sehr, dass uns die Tränen kommen. Unsere Trauer halten wir gern verborgen, meist aus Angst, nicht verstanden zu werden. Trauer können wir nicht vertreiben, nicht abschalten, sie kann aber auch heilend sein und – auf leisen Sohlen – wieder verschwinden.
Jesus verspricht den Trauernden, den Weinenden, dass sie „getröstet“ werden. Gott „vertröstet“ aber nicht, er sagt nicht: „Es wird schon wieder.“ Im Buch der Offenbarung (21,3f) heißt es, dass Gott einmal alle Tränen von unseren Augen abwischen wird. Dann, wenn der Tod nicht mehr sein wird, auch nicht die Trauer, die Klage, die Mühsal.
In der Heiligen Schrift wird dreimal gesagt, dass Gott persönlich alle Tränen abwischt (Jesaja 25,8; Offenbarung 7,16f; 21,3f). Dass Tränen nicht sein dürfen, davon ist nie die Rede. Unsere Tränen sind kostbar, sie begleiten uns in die andere Welt, haben „Ewigkeitscharakter“.
Nur der Johannes-Evangelist hatte den Mut, Jesu Erschütterung angesichts des Todes seines Freundes Lazarus zu berichten (vgl. Johannes 11,28ff). Von diesem Lazarus wissen wir nur, dass seine Schwestern Maria und Marta hießen und Jesus „ihn lieb hatte“. Als er starb, riefen seine Schwestern Jesus herbei. Er ging mit ihnen zum Grab des Lazarus und als er sah, wie Maria weinte und auch die Juden, die dabeistanden, wurde er im Innersten erschüttert, aufgeregt … und es kamen ihm die Tränen.
Trauer ist nachgetragene Liebe. Liebe, die bleibt, auch wenn der/die Geliebte nicht mehr so da ist wie früher.
Papst Franziskus sagte bei der Frühmesse in der vatikanischen Kapelle „Santa Marta“ am 29. März 2020:
„Heute, in einer Welt, in der so viele Menschen unter den Folgen dieser Pandemie leiden, frage ich mich: Bin ich fähig zu weinen, so wie Jesus es getan hätte? Ähnelt mein Herz dem Herzen Jesu? Herr, ich weine mit dir. Ich weine mit deinem Volk, das in diesem Augenblick so leidet. Bitten wir Gott um die Gnade, weinen zu können.“

Wolfgang Bader begleitet seit Jahren Menschen, die sich auf das Sterben vorbereiten und ihre Angehörigen.

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, November/ Dezember 2020)
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