1. Februar 2021

Triage

Von nst5

Im Zusammenhang mit steigenden Corona-Infektionszahlen ist auch immer wieder die Rede von „Triage“. Was genau ist gemeint?

Was bedeutet das Wort?
„Triage“ kommt aus dem Französischen und bedeutet „Auswahl“, „Sichten“. In der Militärmedizin wurde damit eine Methode bezeichnet, um in Feldlazaretten schnell zu entscheiden, welcher Verletzte zuerst behandelt wird. Für die Behandlung war ausschlaggebend, dass die Soldaten schnell wieder zurück aufs Schlachtfeld konnten.

Wo kommt die Triage heute zum Einsatz?
Bei Notfällen: Wenn gleichzeitig sehr viele Patienten eingeliefert werden, müssen Ärzte entscheiden, wen sie zuerst behandeln – etwa bei großen (Zug-)Unglücken, Katastrophen oder Terroranschlägen. Dafür gibt es eine Art Checkliste, die hilft, die Patienten je nach Schwere der Verletzung einzuteilen. So sollen personelle und medizinische Ressourcen in Ausnahmesituationen möglichst gut ausgenutzt werden – mit dem Ziel, möglichst viele Menschenleben zu retten.

Und wie ist das im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie?
Da geht es um die Entscheidung, wer eine intensivmedizinische Behandlung oder ein Beatmungsgerät erhält, wenn nicht mehr ausreichend Plätze oder Geräte vorhanden sind – wie etwa im Frühjahr 2020 in Regionen Italiens, Spaniens und Frankreichs – und das medizinische Personal unter Zeitdruck entscheiden muss.

Gibt es Richtlinien oder Leitfäden für diese Entscheidung?
Schon in der ersten Welle haben sich medizinische Fachgesellschaften in Deutschland, Österreich und der Schweiz damit auseinandergesetzt und erste Hinweise gegeben. Prinzipiell gelten diese erst, wenn Plätze oder Geräte knapp werden und alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Wie in vergleichbaren Situationen soll das Mehraugenprinzip gelten – mehrere (Ärzte und Pflegepersonal der Intensivstation) entscheiden gemeinsam, welcher Patient zuerst behandelt wird, weil seine Überlebenschancen gut sind. Folgende Fragen spielen eine Rolle: Wie schwer ist die Erkrankung und der allgemeine Gesundheitszustand? Liegen andere lebensbedrohliche Begleiterkrankungen vor (z.B. Krebs oder Leberversagen)? Und natürlich auch: Was will der Patient, was hat er in einer Patientenverfügung festgehalten? Einig sind sich die Fachverbände und ihre ethischen Kommissionen, dass Alter, Bildungsstand, Einkommen, Sozialer Status und Behinderungen keine Rolle bei der Bewertung spielen dürfen.

Sollen Kriterien öffentlich diskutiert oder gesetzlich festgelegt werden?
Als die Zahl der täglichen Neuinfektionen und dann auch die Zahl der schwer Erkrankten stetig anstieg, flammte eine öffentliche Diskussion auf, die oft emotional geprägt war. Wenn Argumente mit der Angst spielen, hilft das nicht weiter. Eine breite Diskussion kann aber dazu beitragen, dass viele die empfohlenen Maßnahmen einhalten und alles tun, um den Infektionsverlauf zu bremsen, sodass eine Extremsituation erst gar nicht auftritt. Medizinische Fachverbände befürchten, dass zu detaillierte rechtliche Festlegungen Ärzte in ihren Abwägungen zu sehr einengen. Auch der deutsche Ethikrat spricht sich gegen staatliche Vorgaben aus, denn „der Staat darf menschliches Leben nicht bewerten und deshalb auch nicht vorschreiben, welches Leben in einer Konfliktsituation vorrangig zu retten ist.”
Gabi Ballweg

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Januar/Februar 2021)
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