1. Juni 2021

Lieferkettengesetz

Von nst5

Die Verantwortung von Unternehmen

für die Einhaltung der Menschenrechte soll gesetzlich geregelt werden. Was genau ist gemeint?

Warum ein Lieferkettengesetz?
Als Lieferkette werden alle Glieder in der Kette einer Ware, vom Ursprung bis zum fertigen Produkt, bezeichnet. Unternehmen agieren heute zunehmend in international verflochtenen Lieferketten, die kaum zu überschauen sind. Zudem gibt es in vielen Lieferketten ein großes Machtgefälle zwischen Großunternehmen und Produzierenden. Niedrige Preise erhöhen den Druck auf Menschen und Ressourcen zusätzlich. Internationale Organisationen fordern daher die Verankerung von „Sorgfaltspflichten“ in Unternehmensprozessen. Das Konzept setzt auf die unternehmerische Eigenverantwortung und fordert Maßnahmen, um negative Folgen durch Geschäftstätigkeiten gezielt zu identifizieren und zu verhindern beziehungsweise Wiedergutmachung zu leisten. Freiwillige Anstrengungen in vielen Sektoren haben bisher aber keine umfassenden Verbesserungen zum Schutz von Mensch und Umwelt gebracht.

Was steht im deutschen Gesetzentwurf?
Im März 2021 hat das Bundeskabinett einem Entwurf zum Lieferkettengesetz zugestimmt, der noch vor der Sommerpause vom Bundestag verabschiedet werden soll. Das geplante Gesetz soll ab Januar 2023 für Unternehmen mit Sitz in Deutschland mit über 3000 Mitarbeitenden gelten und 2024 auf Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitenden ausgeweitet werden. Unternehmen müssen demnach prüfen, ob sich ihre Aktivitäten entlang der Lieferkette nachteilig auf Menschenrechte auswirken und angemessene Präventions- und Abhilfemaßnahmen entwickeln. Die Anforderungen an Unternehmen entlang der Lieferkette sind abgestuft (unter anderem nach dem Einflussvermögen des Unternehmens auf den Verursacher der Verletzung). Gefordert wird auch die Einrichtung von Beschwerdemöglichkeiten und ein Bericht über die jeweiligen Aktivitäten. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle kann bei Verletzung der Sorgfaltspflichten Bußgelder oder den Ausschluss von öffentlicher Beschaffung verhängen.

Welche Kritik gibt es daran?
Der Gesetzentwurf bleibt weit hinter den ursprünglichen Plänen und Forderungen zurück. Es sind wesentlich weniger Unternehmen von den neuen Regelungen betroffen. Anders als zuvor ist auch der Verantwortungsbereich von Unternehmen begrenzt und bezieht sich vor allem auf eigene Geschäftstätigkeit und unmittelbare Zulieferer. Im Entwurf werden ökologische Aspekte nicht gleichrangig mit sozialen Aspekten betrachtet, es gibt keine neuen zivilrechtlichen Haftungsregelungen für Unternehmen und kein eigenes Klagerecht für Nichtregierungsorganisationen.

Gibt es anderswo ähnliche Bestrebungen?
Bereits bestehende gesetzliche Regelungen in Frankreich, den Niederlanden oder Großbritannien sind nicht so umfassend wie das in Deutschland diskutierte Lieferkettengesetz. In der Schweiz scheiterte die sogenannte Konzernverantwortungsinitiative in der Volksabstimmung vom November 2020 nur knapp. Nun wird der abgeschwächte Gegenvorschlag der Bundesversammlung in Kraft treten. In Österreich gibt es zivilgesellschaftliche Forderungen nach einem Lieferkettengesetz, aber keinen Gesetzentwurf. Das Europaparlament befürwortet ein EU-weites Lieferkettengesetz, das inhaltlich weit über den deutschen Entwurf hinausgeht. Die EU-Kommission plant die Veröffentlichung ihres Vorschlags im Juni 2021.

Carolin Baier
ist Wirtschaftswissenschaftlerin und hat ihre Doktorarbeit über die Herausforderungen verantwortungsvollen unternehmerischen Handelns veröffentlicht.

Mehr Infos unter:
www.bmz.de/de/entwicklungspolitik/lieferkettengesetz
www.lieferkettengesetz.de

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Mai/Juni 2021)
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