1. Juni 2021

Wenn das Gespräch verweigert wird

Von nst5

Mein Chef übergeht mich

auch da, wo Fragen in meinen Verantwortungsbereich fallen, die Leitung meiner christlichen Gruppe ignoriert meine Angebote zur Mitarbeit und meine Frau zieht sich immer wieder beleidigt zurück, wenn ich Erziehungsfragen mit ihr besprechen will. Wie soll ich mit einer solchen Verweigerungshaltung umgehen?

Anna Lippert,
Bildungsreferentin, Filderstadt
Es kennt wohl jeder diese Situationen: Man hat ein wichtiges Anliegen und das Gegenüber erkennt es nicht an, es kümmert sich nicht oder geht einfach weg. 
Bei meiner Arbeit in der Begleitung von ausländischen Freiwilligen, ihren Arbeitsstellen und Gastfamilien muss ich häufig vermitteln, wenn die Situation verfahren ist, wenn die Beteiligten nicht mehr miteinander sprechen und in ihrer eigenen Sichtweise feststecken, beispielsweise weil die Erwartungen aneinander in völlig unterschiedliche Richtungen gehen. 
Häufig lohnt es sich, die Situation noch einmal aus der Sicht der anderen Person zu betrachten. Wie kommt sie dazu, so abweisend zu reagieren? Was steckt dahinter? Viele Fragen zu stellen, macht es oft einfacher, ihre Gründe zu verstehen. Und schließlich sind auch meine eigenen Ansichten und Absichten den anderen meistens nicht so klar, wie ich es von ihnen erwarte. 
Stelle ich die Beziehung in den Vordergrund, kann ich Gemeinsamkeiten suchen. Vielleicht gibt es Themen, bei denen wir auf einer Wellenlänge sind. Später können wir dann vielleicht auf eine andere Art und Weise auf das ursprüngliche Thema zurückkommen.

Ansgar Bock,
Coach, München
Erfahre ich Formen der Verweigerung, frage ich mich oft, ob es eine sachlich begründete Ablehnung ist oder ich falsch verstanden wurde, etwa weil mein Beitrag als Angriff erlebt wurde. Denn wenn ich spreche, kann ich Aussagen auf mehreren Ebenen treffen: Sachliches mitteilen und zugleich darüber reden, wie es mir geht, was ich über unser Miteinander denke oder welche Wünsche ich an den anderen habe. Und umgekehrt: Höre ich zu, interpretiere ich (unbewusst) das Gehörte rein sachlich oder auf einer der anderen Ebenen (Beziehung, Aufforderung, …). Die Unterschiedlichkeit der Ebenen des Redens und Verstehens kann zum „Sich-unverstanden-Fühlen“ führen. Sprecher und Zuhörer gestalten gemeinsam die Beziehung.
Könnten Sie sich vorstellen, erlebte Situationen mit einem vertrauten Menschen oder in einem Kommunikationsseminar nachzuspielen? Ihr Übungspartner kann Ihnen erzählen, wie er oder sie die Übungssituation erlebt. Vielleicht entdecken Sie dann etwas Neues, wie Sie auf andere wirken – beziehungsweise etwas von dem, was die andere Person außer der Ablehnung eventuell zwischen den Zeilen aussagen wollte. Eine Chance für kreative neue Ideen, wie Sie und Ihre Mitmenschen miteinander kommunizieren können. 

Dorothee Wanzek,
Journalistin, Zwochau bei Leipzig
Dass ich übergangen werde, habe ich selbst öfter erlebt, zum Beispiel gleich zu Beginn meines Berufslebens. Schon nach kurzer Zeit sollte ich in meiner ersten Arbeitsstelle die stellvertretende Leitung übernehmen. Es dauerte aber nicht lange und mein Chef bezog mich in Entscheidungen nicht mehr ein und enthielt mir wichtige Informationen vor. Ich fühlte mich machtlos und wütend und empfand die Arbeit fortan als kräftezehrend. Besser ging es mir, nachdem ich die Beweggründe des Chefs verstand. Er war in seiner Rolle unsicher und fürchtete – wie er mir nach meiner Kündigung bestätigte -, dass ich ihm seine Position streitig machen würde. Gelernt habe ich aus dieser Erfahrung, mehr zu kommunizieren: Heute spreche ich eher an, wenn ich den Eindruck habe, dass Entscheidungen, die mich betreffen, über meinen Kopf hinweg gefällt werden. Ich sage auch öfter, was ich an Kollegen oder Vorgesetzten schätze. Wenn ich Kritik übe oder Veränderungen vorschlage, mache ich deutlich, dass ich damit niemanden herabwürdigen möchte. Ich bin zufriedener, auch wenn ich nicht immer die erhoffte Reaktion ernte. Wenn ich meinen Teil getan habe, befreie ich mich damit von der Verantwortung für das weitere Geschehen.  

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Mai/Juni 2021)
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