3. Dezember 2021

Auf der Suche nach der echten Liebe

Von nst5

Gabriele Wisser beschreibt ihren Weg

mit der Kirche als liebevolle Führung Gottes. Dabei kannte und kennt dieser Weg jede Menge Hindernisse.

Foto: privat

Gabriele Wisser, 63, aus Niederösterreich, arbeitete von 2005-2021 als Pastoralassistentin in einer Wiener Pfarre. Als Pensionistin ist sie weiterhin in der Fokolar-Bewegung engagiert, um Menschen in Pfarreien zu ermutigen, Kirche als Familie Gottes zu leben. Sie ist Firmpatin ihrer 93-jährigen Mutter. Weitere Schwerpunkte in ihrem Leben sind Musik, geistliche Begleitung und Pilgerbegleitung.

In meiner Kindheit war Kirche ein Tabuthema. Mein Vater schimpfte über die katholische Kirche und wurde später buddhistisch. Mit 13 schon dachte ich: Wie kann man die Kirche so pauschal ablehnen? Heute bin ich diejenige in der Familie, die entschieden in dieser Kirche lebt und für sie eintritt: die letzten 16 Jahre als Pastoralassistentin in einer Wiener Pfarre. Dorthin führte ein Weg, den ich als liebevolle Führung Gottes verstehe:
Mit 16 Jahren trat ich aus dem Religionsunterricht aus. Mit 18 bedauerte ich, dass ich meinen Schulabschluss nicht auch in Religion machen konnte, und mit 20, vor dem Traualtar, wusste ich, ich muss dich, Jesus, jetzt kennenlernen. Bahn frei für zahlreiche Erfahrungen mit Gott und Kirche auf der Suche nach der echten Liebe. In den Briefen der Katholischen Glaubensinformation Wien faszinierte mich die Rubrik über das gelebte Evangelium. Eine Einladung führte mich zur Katechese des Opus Dei. Ich lernte die Sakramente kennen und ließ mich firmen. Mein Mann war beeindruckt und ging plötzlich mit mir zur heiligen Messe. Als wachsame Beobachterin empfand ich manche Struktur bald als zu eng bis hin zur Unbarmherzigkeit, spürte aber auf den Einkehrtagen meine Beziehung zu Jesus.
Mit der Familie (drei Kleinkindern) nach Kärnten übersiedelt, war ich täglich allein auf mich gestellt, womit ich bald haderte. In dieser Situation halfen mir vor allem der Zuspruch eines Kapuzinerpaters und spirituelle Texte. Plötzlich nahm ich meine Wirklichkeit an. Das veränderte alles! Ein guter Hirte führte mein Leben hinaus in die Weite: Der Gottesdienst und zahlreiche ehrenamtliche Einsätze in mehreren Pfarren erschlossen mir neue Horizonte. Dankbar denke ich an Freunde und an die Güte und Menschenfreundlichkeit einiger Priester, die meinen Mut so herausforderten.
Auf der Suche nach meinem Platz in der Kirche stieß ich auf das Charisma der Einheit, auf die Fokolar-Bewegung. Hier fand ich auch die Barmherzigkeit, die mein Vater in seiner Jugend schmerzhaft vermisst hatte, die Treue zum Evangelium und in Krisenzeiten den Halt einer großen Familie. 
Als Pastoralassistentin lernte ich die Hierarchie kennen, eine Zuckerbrot-Peitsche-Moral sowie Neid und Eifersucht. Da war ich eingespannt in kirchliche Strukturen, da igelte ich mich auch mal ein in mein Schneckenhaus – bis ich wiederum herausgeführt wurde durch eine neue Erfahrung von Teamarbeit auf Augenhöhe mit Priestern. Das gab mir die Kraft, den ersten Schritt zu tun und mich dem notwendenden Gespräch mit meinem Pfarrer zu stellen.
Kirche, das ist für mich Suchen und Finden; mit den Menschen im Blick auf Jesus leben; sein Wort konkret leben, arglos sein wie eine Taube und klug wie eine Schlange; beten, Wunder erleben; Fehler machen, weitergehen; auf Jesu Wirken in der Mitte jeder Gemeinschaft vertrauen, doch nicht der Versuchung erliegen, alles Gute von Menschen zu erwarten, nur weil sie der Kirche angehören; auch zum Leid Ja sagen; Auferstehung leben: mir im Glauben Mut zuwachsen lassen und beschenkt neue Schritte wagen! Teilen. Familie Gottes sein.
Gabriele Wisser

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, November/Dezember 2021)
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