1. Dezember 2021

WORT DES LEBENS . PLUS

Von nst5

Frieden ist nicht billig!

Schon aus dem Kernsatz des „Wort des Lebens“ für November – „Selig, die Frieden stiften!“ – wird deutlich, dass es sich beim Frieden um eine äußerst aktive Sache handelt, die jeden der beteiligten Akteure angeht und fordert.
Zum besseren Verständnis lohnt es sich, die Stelle im Zusammenhang zu lesen. Im fünften und sechsten Kapitel des Matthäus-Evangeliums fordert Jesus öfter dazu auf, selbstlos zu sein (6,1-4), zuvorkommend und ohne Erwartungen zu lieben (5,46) oder auch die andere Wange hinzuhalten (5,39). Es ist und bleibt die herausfordernde Aufgabe für Jüngerinnen und Jünger Jesu, herauszufinden, wie sich diese Aufforderungen in die Tat umsetzen lassen. Einer Gefahr sollte man dabei nicht erliegen: die Verantwortung dessen zu vergessen, der dem anderen „etwas Böses antut“ (5,39); die Verantwortung dessen, der die Vergebungsbereitschaft oder ‚Pflicht zur Nächstenliebe‘ des anderen vielleicht kennt, sich darauf ausruht oder sie sogar ausnutzt.
Frieden kostet. Frieden ist nicht billig. Wenn unfassbar mutige Menschen sich in Extremsituationen für andere einsetzen, oder gar ihr Leben für andere geben, darf dadurch nicht die böse Tat selbst relativiert werden. Um es konkreter zu machen: Es darf nicht vergessen werden, dass Nelson Mandela fast 30 Jahre lang vom Apartheidsregime in demütigende Gefängnishaft gesteckt wurde, bevor er so viel an Versöhnung und Vergebung bewirkte. Wir bewundern Sophie Scholl, doch es ist und bleibt grausam, dass sie mit Anfang zwanzig ermordet wurde. Wenn Maximilian Kolbe im KZ sein Leben gibt, um einen Familienvater zu retten, bleibt seine Ermordung doch furchtbares Unrecht. Seine Hingabe schmälert in keiner Weise die Schuld, die die für die Tat Verantwortlichen tragen. Das Zeugnis solcher Menschen darf nicht – zumindest nicht nur – dazu führen, dass wir sie als heldenhafte Heilige verehren. Es ist immer auch Mahnung, selbst aktiv Frieden zu stiften – und Unrecht zu benennen.
„Zum Streit gehören immer zwei.“ So heißt es in einer gängigen Redensart. Noch wichtiger finde ich die Einsicht: Zum Frieden stiften auch! Der Beitrag und der aktive Einsatz aller am Konflikt Beteiligten ist unverzichtbar. Und dennoch: Irgendjemand muss den ersten Schritt tun. So ist es manchmal besonders schwierig, im Kleinen zum Frieden beizutragen: Darauf zu verzichten, über jemand Abwesenden zu lästern, weil das Gespräch gerade langweilig wird: Es kostet. Zu erkennen, dass es jetzt eigentlich dran wäre, mich zu entschuldigen und es dann auch zu tun, kann zuweilen unglaublich schwer sein. Doch es lohnt sich. Denn nur so wird Frieden gestiftet. Und jedes Mal, wo uns das gelingt, sind wir „selig“.
Marius Grath

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, November/Dezember 2021)
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