2. Februar 2022

Ein einziges Zuhause

Von nst5

Wochenend-Beziehungen

sind gar nicht so selten. Häufig ist zumindest einer der Partner während der Woche unterwegs, weil sie oder er nicht am Wohnort arbeitet. Was bedeutet das für eine Beziehung? Worauf muss man achten? Kann das auch über einen längeren Zeitraum funktionieren?

Mechthild und Uli Greber
„Ruheständler“, Würselen
Vor einigen Jahren wurde Uli von seinem Arbeitgeber gefragt, ob er kurzfristig eine Leitungsfunktion in Nürnberg, knapp 500 Kilometer von unserer Wohnung entfernt, übernehmen könne. Wir haben vier Kinder, zwei von ihnen wohnten damals noch zu Hause. So haben wir eine Familienkonferenz abgehalten, bei der auch die älteren Kinder telefonisch zugeschaltet waren. Das Ergebnis: Papa muss das machen, aber unser Lebensmittelpunkt soll das bisherige Zuhause bleiben. Auch Mechthild hat die Entscheidung unterstützt: „Wenn das gut für dich ist, ist es auch gut für mich.“
So begann unsere Fernbeziehung von montags bis freitags. Die ersten Jahre verliefen reibungslos: Wir haben mehrmals täglich telefoniert; auch die Hausaufgabenbetreuung unseres Jüngsten über Skype funktionierte. Was für drei bis vier angedacht war, dauerte am Ende elf Jahre. Diese Zeit hat Spuren hinterlassen, zumal Ulis berufliche Aufgabe immer herausfordernder wurde. Viele Dinge konzentrierten sich auf das Wochenende. Schwierige Situationen, wie schwere Krankheitsfälle oder die Aufnahme eines pflegebedürftigen Elternteils brachten uns an die Grenze; unsere sozialen Kontakte litten. Als sich die Chance bot, frühzeitig aus dem Berufsleben auszuscheiden, haben wir sie ergriffen.

Sebastian Baumann
Psychotherapeut, Mannheim
Der Begriff „Wochenend-Beziehung“ drückt wahrscheinlich sehr oft gar nicht aus, was die Partnerinnen und Partner selbst erleben; denn sie sind vermutlich auch unter der Woche im Kontakt. So manches Paar spricht mehr miteinander, wenn es sich nicht gegenübersitzt, sondern (video-)telefoniert oder chattet. In einem 1980-er Jahre Song heißt es: „Wie soll ich mich nach dir sehnen, wenn du stets bei mir bist?“
„Wochenend-Beziehungen“ können also auch dabei helfen, die Liebe und das Interesse aneinander hochzuhalten. Auf der anderen Seite wird man auch mit der Einsamkeit auskommen müssen, die es zwischendurch geben kann. „Wochenend-Beziehungen“ kann es zu ganz unterschiedlichen Paarphasen geben, etwa als Auftakt in eine Beziehung, bei der man später zusammenzieht, oder mittendrin. Hier gilt es, wie bei anderen Paarthemen auch, die richtige Balance dafür zu finden: sich einerseits auf etwas Herausforderndes einzulassen, andererseits die eigenen Wünsche ernst zu nehmen. Wenn „Wochenend-Beziehung“ etwa bedeutet, dass die Kinder unter der Woche nur noch von einem Partner versorgt werden, sollte die Verabredung auf Zeit geschlossen und auf ihre Praxistauglichkeit hin geprüft werden. Es könnte ja sein, dass die nächste Paarphase schon um die Ecke lugt.

Rebecca und Görge Temme
Unternehmensberater, Köln
Als Becci anfing zu arbeiten, war sie von Montag bis Donnerstag beruflich in Berlin. Später war auch Görge für ein Projekt in München. In dieser Zeit trafen wir uns jede Woche erst am Donnerstagabend in Köln wieder. Wir hatten schon zuvor Fern-, Auslands- und Nahbeziehung gelebt und wussten, dass wir uns auf das neue Zusammenleben wieder einlassen mussten. Es war klar, dass die Beziehung nicht einfach so mitlaufen kann. So hatten wir den Deal, dass wir uns neue Jobs suchen würden, sollte unsere Beziehung leiden.
Die Wochenenden waren uns heilig. Wir haben sehr gut überlegt, was wir machen, und haben uns selten getrennt. Wir hatten nur ein Zuhause: unsere gemeinsame Wohnung in Köln. Von Montag bis Donnerstag haben wir sehr bewusst versucht, den Anderen am eigenen Alltag teilhaben zu lassen. Jeden Abend haben wir telefoniert und uns zumindest „Gute Nacht“ gesagt. So haben wir auch auf Distanz als Paar gelebt. Streit, so haben wir schnell gelernt, sollte man besser für die Zeit aufheben, in der man zusammen ist. Am Telefon war er nie konstruktiv, und hinterher konnte mindestens einer nicht schlafen.
Für uns war die Wochenendehe von Anfang an auf Zeit angelegt. Das zu wissen, hat montags beim Verlassen des Hauses geholfen.

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(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Januar/Februar 2022)
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