5. April 2022

In den Köpfen angekommen

Von nst5

Was beschäftigt die “Generation Klima”?

Dazu zwei Stimmen, zwei Standpunkte – von Juliane Schmitt, Mannheim, und Tim Haselberger, Frankfurt/Main.

Foto: privat

Juliane Schmitt, Sozialarbeiterin in einem Berufsorientierungsprojekt mit Schwerpunkt nachhaltige Berufe in Mannheim:

In meiner Arbeit begegne ich sehr unterschiedlichen Herausforderungen der jungen Generation. Die Berufsorientierung ist zwar Teil des „Auf-der-Suche-Seins“, jedoch tritt sie oftmals in den Hintergrund. Es geht vielmehr darum, was zukünftig noch kommt: Was will ich für meine Zukunft? Was wird von mir verlangt? Welche Faktoren beeinflussen meine Berufswahl? Und welche Verantwortung beinhaltet sie?
Nachhaltigkeit ist längst in den Köpfen der Jugendlichen angekommen. Anfangs dachte ich, dass es meine Aufgabe wird, über den Klimawandel zu informieren und aufzuklären. Aber – das wurde mir schnell klar – es geht um Generationenkonflikte, darum gesellschaftlich an einem Strang zu ziehen, Mut zu verbreiten und die Hoffnung auf eine gesunde Erde nicht zu verlieren.
Wenn wir über das Thema Nachhaltigkeit sprechen, fällt mir oft auf, wie energiezehrend die Auseinandersetzung damit sein kann. Ich fühle mich oft hilflos und habe das Gefühl, dass viele Dinge, die auf unserem wunderschönen Planeten angerichtet wurden, nicht mehr rückgängig zu machen sind. Bei Gesprächen und Workshops sehe ich oft in erschöpfte Gesichter und nehme eine bedrückende Schwere wahr. Auf der Generation von Morgen liegt die große Mitverantwortung, Dinge, die passiert sind, wieder gerade zu biegen.
Deshalb beschäftigt sie nicht nur die Frage, welche Ausbildung Spaß machen würde, sondern auch die, ob dieser Beruf auch sinnvoll und brauchbar ist: Kann ich damit einen Beitrag für die Zukunft leisten?
Wenn Jugendliche mich das fragen, antworte ich trotz all meiner eigenen Zweifel: „JA! Ja, du kannst immer einen Beitrag leisten. Nachhaltigkeit hat viele Facetten und muss immer mehrgleisig gefahren werden. Auch ein sozialer Beruf leistet einen Beitrag zur nachhaltigen Zukunft: Wenn du Menschen begegnest, bringst du die soziale Nachhaltigkeit nach vorne; im Gespräch kannst du Menschen zu neuen Perspektiven inspirieren und hast vielleicht Einfluss darauf, wie sich dieser Mensch am nächsten Tag für oder gegen die Zukunft von uns allen entscheidet.“
Die zukünftig arbeitende Generation ist bereit, Verantwortung zu tragen, Herausforderungen zu meistern, innovativ, kreativ und neu zu denken, aber deshalb sollte sie nicht auf alles verzichten müssen, was andere als selbstverständliche Elemente ihres Lebens sehen. Hier braucht es Dialogbereitschaft zwischen den Generationen, ein gemeinsames Tragen der Herausforderungen und Kompromissbereitschaft von allen. Menschen haben so viele Dinge erfunden, die es uns allen ermöglichen, nachhaltiger zu leben, sodass wir auf wenig verzichten müssen. Das Einzige, was es braucht, ist, dass wir aus unseren Komfortzonen herausgehen, bereit sind, unseren Teil beizutragen, und das gegenseitige Ernstnehmen unserer Bedürfnisse. Ein Anfang wäre, unserem Gegenüber zuzuhören.

Foto: privat

Tim Haselberger aus Augsburg, Student der Betriebswirtschaftslehre in Frankfurt am Main:

Nahezu jeder und jede in meinem Freundes- und Bekanntenkreis ist der Meinung, dass Klimaschutz die größte Herausforderung für die Zukunft ist. Der Klimawandel betrifft alle Menschen und gefährdet natürliche Lebensgrundlagen, für uns und nachfolgende Generationen. Ich glaube, durch „Fridays for Future“ ist das nun auch auf nahezu allen gesellschaftlichen Ebenen in Deutschland angekommen.
Und obwohl wahrscheinlich kaum einer im Sommer auf den Flug in den Urlaub verzichten würde, versuchen auch die meisten in meinem Umfeld, nachhaltige Lösungen in ihrem Alltag zu suchen. Die Bereitschaft, die eigene Haltung zu ändern und umzudenken, ist zumindest bei jungen Menschen absolut da.
Aber ich bin der Meinung, dass das allein nicht genügen wird. Klimaschutz muss möglichst schnell vorangetrieben werden. Wir haben keine Zeit. Deshalb sollte er marktwirtschaftlich gestaltet werden. Damit meine ich: auf neue Technologien setzen, erneuerbare Energien ausbauen und insgesamt technologieoffen forschen. Nur wenn unsere Wirtschaft massiv umgebaut wird, können wir es schaffen, die Klimaziele zu erreichen und nachhaltig zu agieren.
Aber damit Unternehmen in Zukunft auf fossile Energiequellen verzichten, sollte nicht so sehr auf staatliche Verbote, Einschränkungen und Vorschriften gesetzt werden. Die Unternehmen selbst sollten überlegen und gestalten können, was für sie passt. Ich glaube deshalb, dass die Unternehmen gefördert und gestärkt werden sollten, selbst diese Lösungen zu finden und sie umzusetzen. Dabei sollten sie viel eigenen Handlungsspielraum haben.
Nur wenn die Unternehmen selbst ihre nachhaltigen Wirtschaftsweisen gestalten können und sie sich damit dann auch am Markt behaupten können, wird Klimaschutz auf Dauer auch wirklich Auswirkungen haben. Aber wenn das gelingt, kann Deutschland zum Vorbild für viele weitere Länder werden und zeigen, dass sich Klimaschutz, Wachstum und Erfolg nicht widersprechen müssen. Ich denke, dass das auch in vielen Schwellenländern sehr wichtig für eine Akzeptanz und für die Umstellung der Wirtschaftsweise sein wird. Warum sollten sie sich sonst durch Auflagen in ihrem Wachstum einbremsen?
Klimaschutz ist natürlich ein sehr komplexes Thema, und es gibt wohl nicht nur die eine richtige Antwort. Es geht darum, das richtige Maß bei allem zu finden. Besonders wichtig ist mir persönlich dabei auch, dass er nicht zu einer sozialen Frage wird, weil ihn sich die einen leisten können und andere nicht. Nachhaltige Lebensweisen sollten sich möglichst alle in der Gesellschaft leisten können. Das heißt für mich, Rahmenbedingungen zu schaffen, die besonders ärmere Bevölkerungsgruppen berücksichtigen. Da wäre für mich auch ein Eingreifen des Staates absolut gerechtfertigt und notwendig.

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, März/April 2022)
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