Vom Ich zum Wir
Ein Online-Kongress zu Pfingsten
bringt Menschen in Verbindung, um gemeinsam die Welt zu gestalten.
Der Zweifel kam beim Joggen: „Da bietest du einen Kongress zum Thema ‚Vom Ich zum Wir‘ an. Und dann tust du das als Einzelkämpfer mit Einzelkämpfern für Einzelkämpfer.“
Seit Monaten arbeitete Egbert Amann-Ölz da schon für den „Pfingstkongress 2021“, der über elf Tage hinweg online stattfand. Über 1000 Arbeitsstunden sollten es am Ende sein. 5000 Menschen hatten sich angemeldet, um die täglich angebotenen drei Interviews zu verfolgen.
Die Idee: etwas gegen die Spaltung tun, die durch Corona wie in einem Brennglas noch einmal verschärft wurde – insbesondere zwischen Menschen, die im Glauben und auch in den Kirchen verwurzelt sind, und Menschen, deren Wunsch, die Welt zu verändern, nicht religiös begründet ist. „Es braucht alle, um die globalen Herausforderungen anzugehen“, meint Egbert Amann-Ölz. Aber man traue einander nicht, und man traue einander auch nichts zu. Den einen würden ihre ganzen Verfehlungen, wie etwa der Missbrauch, vorgehalten und die anderen schnell in die esoterische Ecke gestellt.
Egbert selbst ist katholischer Christ. Aus dieser festen Verankerung heraus wollte der Unternehmensberater dazu beitragen, dass sich diese beiden Welten miteinander verbinden. Und so entstand – nach einigen anderen wenig erfolgreichen Versuchen – die Idee zum Online-Kongress „Vom Ich zum Wir – Wege aus einer gespaltenen Gesellschaft“.
Die Liste derjenigen, die sich für den Kongress interviewen ließen, war nicht nur lang, sondern durchaus prominent besetzt. Zu Wort kamen unter anderen der Generalsekretär der österreichischen Caritas, Klaus Schwertner, die evangelische Theologin und TV-Moderatorin Renata Schmidtkunz, die muslimische Theologin und Ökoaktivistin Ursula Fatima Kowanda-Yassin, der Gründer der österreichischen Partei NEOS, Matthias Strolz, der Pastoraltheologe Paul Michael Zulehner und die Viktor-Frankl-Schülerin Elisabeth Lukas. Den Anfang machte der Ordensmann und Mystiker David Steindl-Rast.
Die Reaktionen übertrafen alle Erwartungen. Viele der Teilnehmerinnen und Teilnehmer schrieben, dass ihnen die Vorträge einen weiten Horizont eröffnet hätten und einen neuen Glauben daran, dass Veränderung möglich sei. Judith Hamberger aus dem oberösterreichischen Linz etwa meint: „Egberts Art, die Interviews zu führen, eröffnet einen Raum, in dem die anderen sich entfalten können. Es waren wirkliche Pfingsttage. Jeder hat seine Sprache gesprochen, aber alle haben einander verstanden.“
Und doch war da der Zweifel, der Egbert Amann-Ölz beim Joggen aufgekommen war. Was konnte er tun, damit die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Online-Kongresses mit der Fülle und Vielfalt der Gedanken und Anregungen, die ihnen durch die Interviews entgegenkommen, nicht alleinbleiben?
So „erfand“ er die so genannten Kaminfeuerabende: die Einladung zu einer Begegnung via Zoom; ein Angebot, schon während des Kongresses einander wohlgesonnen zuzuhören; zuzulassen, dass es andere Standpunkte gibt als den eigenen; die Sprachlosigkeit zu überwinden. Gleich am ersten Abend nahmen 70 Personen teil. Deshalb entschloss sich Egbert, dieses Angebot an jedem Kongressabend zu machen.
So waren es nicht zuletzt die Kaminfeuerabende, die dem Kongress Nachhaltigkeit verliehen. Cornelia Zuk aus Chemnitz ist Expertin für Persönlichkeitsentwicklung und Ausstrahlung. Sie entschied sich schnell, an diesen Begegnungen teilzunehmen, um sich „nicht nur berieseln zu lassen“. Inzwischen hat sie eine ganze Reihe von Kaminfeuerabenden moderiert, die auch nach dem Kongress im wöchentlichen Rhythmus fortgesetzt wurden. So wurde sie von einer Zuhörerin zu einer Mitgestalterin des Weges „vom Ich zum Wir“, wie einige andere auch.
„Feuer braucht Nahrung“, weiß Cornelia Zuk. „Egbert hat das Feuer entzündet. Ich kann mit meinem Da-Sein, meiner Persönlichkeit und Inspiration eine Nahrungsquelle sein, Licht und Feuer anbieten.“ Das gelte für alle der zwischen acht und 30 Personen, die bei den Kaminfeuerabenden wöchentlich zu einem „Herzensdialog“ zusammenfinden. „Es ist ein Schenken und Beschenkt-Werden.“ Die Suche nach Austausch, Anerkennung und Sinnhaftigkeit sei groß. Menschen möchten Anschluss finden, und das sei in der unmittelbaren Umgebung nicht immer möglich, so Cornelia Zuk.
Der Kaminfeuerabend am letzten Kongresstag konnte sogar live bei YouTube verfolgt werden. Zehn der Interviewpartner von Egbert waren dabei und bekamen so unmittelbar Resonanz von vielen, die am Kongress teilgenommen hatten. Wie nicht anders zu erwarten, stand schnell die Frage im Raum: Gibt es auch 2022 wieder einen Pfingstkongress?
Angesichts der berührenden Echos entschied sich Egbert für eine Fortsetzung. Da ihn die Arbeit für den Kongress 2021 aber an seine körperlichen und wohl auch psychischen Grenzen gebracht hatte, war genauso schnell klar: „Einen weiteren Kongress mache ich keinesfalls allein.“
So sind sie nun zu fünft: neben Egbert auch seine Frau Christiane Amann-Ölz. Die beiden sind seit 30 Jahren verheiratet und haben vier Söhne. Die drei anderen Team-Mitglieder stammen aus Deutschland: Matthias Bolkart, Humanwissenschaftler, Kommunikationstrainer und Psychotherapeut und Sr. M. Nicola Kreß, Franziskanerin und Psychotherapeutin – beide leben in Berlin – und Franz Schulte, Priester und geistlicher Begleiter, auf der Fazenda da Esperança in Boppard.
„Wir haben lange um das Thema des neuen Kongresses gerungen“, berichtet Franz Schulte. „Wir wollten das Anliegen des ersten Kongresses aufgreifen und weiterentwickeln.“ Worin die Ursache für so viele Spaltungstendenzen bestünde, fragten sie sich im Vorbereitungsteam und kamen zu der Antwort: Ist es vielleicht das duale Weltbild, von dem wir in der westlichen Welt so stark geprägt sind? Also die Neigung, streng zu unterscheiden zwischen Gut und Böse, richtig und falsch, schwarz und weiß, drinnen und draußen, einheimisch und fremd, … „Mit diesem Denken unterscheiden wir schnell, wer dazugehört und wer außen vor bleibt“, erläutert Franz Schulte. „Unser Anliegen ist es jedoch, niemanden auf dem Weg zu verlieren.“
So kam es zu dem etwas sperrigen, aber aussagekräftigen Titel: „Individuell UND full connected? Aus der Kraft des EINEN-DEN die Welt gestalten“.
Auch für diesen zweiten Pfingstkongress hat das Team namhafte Speaker gewinnen können, so den Benediktiner und Autor Anselm Grün, den Neurobiologen Gerald Hüther und den israelischen Psychologen und Pädagogen Haim Omer. Insgesamt werden es etwa 30 Interviewpartner und -partnerinnen sein.
Sie alle sollen sich unter anderem zu folgenden Fragen äußern:
- Was ist deine Lebenserfahrung zu Individualität und Verbundenheit?
- Was ist für dich das Eine-nde, wo hast du es in deinem Leben erfahren?
- Wie können wir auch mit Andersdenkenden in Verbindung kommen und uns auf gemeinsame Werte und Ziele verständigen?
- Wie können Stimmungen in Richtung Hoffnung umschlagen, um aus der Lähmung und starren Gräben herauszukommen ins gemeinsame Tun?
Am 27. Mai geht es los. Diesmal nicht als Einzelkämpfer.
Peter Forst
Pfingstkongress
Der Pfingstkongress 2022 trägt den Titel “Individuell UND full connected? Aus der Kraft des EINENDEN die Welt gestalten“. Er findet online statt im Zeitraum vom 27. Mai bis 6. Juni 2022. Jedes Interview ist für 48 Stunden freigeschaltet. Die Anmeldung ist kostenlos; man erhält dann täglich die Zugangsdaten zu den aktuellen Interviews.
Wer die Interviews auch nach dem Kongress dauerhaft ansehen möchte, kann für 69 Euro das Kongresspaket erwerben. Info und Anmeldung unter
online-kongress.wandel-mit-spirit.vision/
(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Mai/Juni 2022)
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