1. Juni 2022

WORT DES LEBENS . PLUS

Von nst5

Mein ganzes Glück bist du allein

Psalm 16 besingt das Glück des Menschen auf Erden in einer Weise, die kaum mehr überboten werden kann: als kostbaren Landbesitz (Vers 6), als kernige Gesundheit (V. 9), als Freude in Überfülle (V. 9 und 11). Diese Lebensqualität ist so dicht und machtvoll, dass selbst der Tod sein bedrohliches Gesicht verliert (V. 10). Eine derartige Lebensfülle verdankt sich JHWH, dem Geber aller Gaben. Die lebensvollen Aussagen und beglückenden Erfahrungen des Beters verweisen somit auf die Quelle des Glücks; die Bilder irdischen Glücks werden so zu Metaphern für das, was Gott für den Beter bedeutet.
Freilich verschweigt der Psalmist auch nicht, dass die erfahrene Nähe Gottes erkämpft ist und immer gefährdet bleibt. Deshalb beginnt er sein Gebet mit der Bitte um Gottes Schutz:

Behüte mich, Gott,
denn bei dir habe ich mich geborgen.
Ich sage zum Herrn: Mein Herr bist du,
mein ganzes Glück bist du allein.
Die diesen Psalm eröffnende Bitte zielt auf die grundlegende Gottesbeziehung. Es geht dem Beter nicht um irgendwelche besonderen Gaben, sondern um die Beziehung zu Gott selbst als dem Geber aller Gaben. Er bittet, Gott möge ihn auch in Zukunft in jener innigen Einheit mit ihm bewahren, die er gesucht hat und aus der er nun leben darf. Dem Schutz Gottes entspricht das Vertrauen des Beters auf das göttliche Geleit. Die erfahrene Einheit mit Gott wird dabei in zwei Aspekten entfaltet:

1. Der Beter erkennt die Herrschaft Gottes an; ihm weiß er sich als Knecht und Kind im Gehorsam verbunden: „Mein Herr bist du“.
2. Zugleich weiß er aus eigener Erfahrung: Seine Entscheidung für Gott als einzigen und verlässlichen Lebensgrund hat sein Leben nicht ärmer werden lassen. Diese Entscheidung hat ihn vielmehr in eine neue, zuvor nicht gekannte Lebensfülle geführt. JHWH zu dienen und nach dem Willen Gottes zu leben, bedeutet nicht Entmündigung und Sklaverei, sondern führt hinein in Freiheit und Glück, in dichte Lebensfülle: „Mein ganzes Glück bist du allein.“
Ein anderer Psalm, der Gesetzespsalm 119, zeigt auf mannigfache Weise, wie diese Erfahrung der göttlichen Nähe, vermittelt durch das Wort Gottes, das Leben des Beters von innen heraus verändert und erneuert. Da heißt es in Vers 32: „Ich eile voran auf dem Weg deiner Gebote, denn mein Herz machst du weit.“ In Vers 56: „Deine Befehle zu befolgen ist das Glück, das mir zufiel.“ Und schließlich Vers 103: „Wie köstlich ist für meinen Gaumen deine Verheißung, süßer als Honig für meinen Mund.“
Franz Sedlmeier

Aus: Franz Sedlmeier, Ein Ohr für den Herrn und das Herz auf der Zunge. Mit den Psalmen Leben deuten, Verlag Neue Stadt, 2018, S. 72f.

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Mai/Juni 2022)
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