2. August 2022

Führen, gestalten, inspirieren

Von nst5

Als Topmanager in einem weltweiten Konzern ist Markus Gebauer herausgefordert,

seinen Werten treu zu bleiben und das Geschäft in den Dienst des Menschen zu stellen.

Mehrere Milliarden Dollar Jahresumsatz liegen in seiner Verantwortung – aber indirekt, wie Markus Gebauer betont: „Denn ich manage das Geschäft nicht selbst, sondern bin in meiner Region für die Händler verantwortlich, die unsere Produkte verkaufen.“
Seine Region „Eurasia und Mittlerer Osten“ reicht von der Ukraine bis nach Wladiwostok im äußersten Osten Russlands. Auch Saudi-Arabien und der Jemen gehören dazu.Eine herausfordernde Region wegen der politischen Spannungen, die wie der Ukraine-Krieg die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen manchmal abrupt verändern. Die Händler sind in ihren Ländern eigenständige Gesellschaften – große, bekannte Unternehmen. Zusammen haben sie eine Belegschaft von etwa 10 000 Personen in der Region.

Alle Fotos: privat

Markus Gebauer, in Ottmaring bei Augsburg aufgewachsen, lebt mit seiner Familie in Genf und arbeitet für den weltweit größten Hersteller von Baumaschinen. Der Konzern produziert zudem Forst- und Bergbaumaschinen, Energiesysteme, Diesel-, Gas- und Wasserstoffmotoren, Gasturbinen und Stromaggregate.
Mit den Führungskräften der Händler-Unternehmen hat Markus Gebauer täglich zu tun: „Wir vereinbaren Ziele und schmieden Pläne, wie wir sie erreichen können“, erklärt er. Einen bedeutenden Bereich macht der Service an den Maschinen aus. „Jede ist wie eine Produktionsmaschine und muss wesentlich mehr Stunden oder Kilometer laufen als ein Auto.“ Die Wartungsverträge sind zu überprüfen: „Wir messen, wie getreu der Händler das Serviceversprechen gegenüber den Kunden erfüllt. Was muss er tun, um die Maschinen gut warten zu können: Wie viel Mechaniker muss er einstellen? Was muss er investieren? Wie viele Service-Trucks, mit denen er zu den Maschinen fährt, muss er kaufen? Wie hoch ist deren Auslastung? Wie macht er Werbung?“ Hinzu kommt Unterstützung bei Digitalisierung, Software-Einsatz und Aufbau von Onlineplattformen. „Ich helfe den Händlern, sich zu entwickeln, zu wachsen, sich an eine ständig verändernde Industrielandschaft anzupassen.“
Aus der Vorstandsebene kommen zuweilen klare Ansagen, was er erreichen soll. Hohe Erwartungen, mit denen nicht jeder umgehen kann. „Das ist ein ständiger Balanceakt“, bekennt Markus Gebauer. „Mir ist der Prozess, das Zusammenspiel mit meinem Team, sehr wichtig bei der Verfolgung der Ziele.“ Seinen rund dreißig Management-Mitarbeitern gegenüber gibt er zu, wenn er sich mit einer Zielvorgabe schwertut, und begründet seine Bedenken. „Bei anderen Zielen sage ich: ‚Das ist zwar ehrgeizig, aber wir können das schaffen. Dazu brauche ich euch, eure Ideen!’ So versuche ich zu filtern, was ich von oben an Druck bekomme, und ihn für die Mitarbeiter in Motivation umzumünzen.“

Markus macht seine Arbeit gern, sie erfüllt ihn. „Meine Frau hat mal gesagt: Du machst eigentlich dein Hobby und kriegst auch noch Geld dafür!” Er ist ehrgeizig, verlangt sich und anderen vieles ab. „Ich musste erst lernen, dass auch feiern können dazugehört: Innehalten, Erfolge benennen, die Leute loben für das, was erreicht wurde. Etwas Schönes zu unternehmen baut die Spannung ab, in der wir arbeiten. Danach können wir mit neuem Elan die nächste Aufgabe angehen.“
Markus Gebauer pflegt Beziehungen, strebt nach gegenseitigem Vertrauen bei seinen Mitarbeitenden. „Ich sehe sie nicht bloß als Ressource, sondern denke auch ihr privates Umfeld mit – Partner, Familie.“ Dabei sucht er nach der angemessenen Balance zwischen Nähe und Abstand: „Ich darf nicht zu weit ins Private einsteigen. Sie müssen ihr eigenes Leben führen können, unabhängig von der Firma. Als Führungskraft kann ich nicht gleichzeitig der Freund sein.“
Vor anderthalb Jahren gab es in seiner Region eine Krise. Viele Manager wurden ausgetauscht. Man brauchte jemanden, der mit Leuten umgehen kann, der einfühlsam und zugleich führungsstark sein kann. Sie wollten, dass er den Posten übernimmt. „So bin ich da reingeworfen worden.“
In einer Firma führen bedeutet für Markus Mut, Verantwortung zu übernehmen und gestalten zu wollen. Vorangehen, aber den Weg gemeinsam mit anderen suchen. „Eigentlich ist es mir unangenehm, vorne stehen zu müssen“, sagt er. „Aber wenn es dient, mache ich es. Ansonsten schaue ich, dass andere mit ihren Fähigkeiten eine Bühne bekommen.“ Führung ist für ihn ein Dienst an der Sache – und an den Mitarbeitenden. „Ich führe sie manchmal  hin, wo sie nicht hinwollen.“ Manche haben ihm schon zurückgemeldet, er helfe ihnen, etwas zu erreichen, was sie nie für möglich gehalten hätten. „Ich fordere die Leute, aber lasse sie nicht allein, berate sie, sage ihnen, was gut oder nicht so gut läuft.“
Zum Dienst am Team gehört für Markus, sich nicht vor unbequemen Entscheidungen zu drücken. „Das erwarten die Mitarbeitenden auch. Wenn jeder sich bemüht hat, jemanden ins Team zu integrieren, es aber trotzdem nicht klappt, sind alle unzufrieden. Diese Person zu entlassen, kann für alle eine große Erleichterung sein.“

55 Stunden in der Woche arbeitet Markus normalerweise. Oft ist er zum Leidwesen seiner Familie beruflich unterwegs. In  den letzten Monaten hat ihm der Ukraine-Krieg vieles abverlangt. Die Sanktionierung Russlands hat zur Folge, dass er im Krisenmodus arbeiten muss. Zwar war er viel zu Hause, hat dafür aber oft bis zu 14 Stunden am Tag gearbeitet. „Meine Frau und meine beiden Kinder sehen mich dann zum Frühstück, untertags einen Moment und abends beim Ins-Bett-Gehen. Derzeit ist Ausnahmesituation!“ An den Wochenenden versucht Markus, Zeit für die Familie zu reservieren. Außerdem hat er sich angewöhnt, zum Ausgleich für die Arbeit Sport zu treiben: Er fährt gern Rad. „Wenn ich in Hotels bin, mache ich jeden Morgen eine Dreiviertelstunde Cardio-Training für die Ausdauer an Fitnessgeräten und Dehnübungen, weil ich ja viel sitze.“ Er achtet auf ausreichend Schlaf und gesunde Ernährung. All das hilft, die Anforderungen seines Jobs durchzuhalten. Er hat sich Sportarten gesucht, die er überall ohne großen Aufwand ausüben kann. „Ein Mannschaftssport wäre schwierig. Bei meinem Arbeitsrhythmus könnte ich kaum regelmäßig zum Training gehen.“
In Führungsetagen großer Unternehmen finden sich oft Menschen mit starker Persönlichkeit, Geltungsbedürfnis, Drang nach Macht – „Alphatiere“. „Man ist immer im Wettbewerb. Kollegen, mit denen ich offen reden kann, kann ich an einer Hand abzählen. Da ist die Gefahr groß, sich einsam zu fühlen. Zumal, wenn Freunde die Probleme gar nicht nachvollziehen können, die mich beschäftigen.“ Seine Familie, die Beziehung zu Freunden aus der Fokolar-Bewegung und sein Glaube bewahren ihn davor, sich allein vorzukommen und in ein Loch zu fallen. „Am Leben anderer teilzunehmen, zeigt mir nochmal eine andere Welt, gibt mir Kraft, verhindert, dass ich abhebe.“ Als große Unterstützung empfindet er auch, dass er bei der Amos Business Conference teilnehmen kann, einem 1992 in den USA begonnenen Netzwerk von Führungskräften aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung. Es will Glaube, Beruf und Familie in Einklang bringen, eine von christlichen Werten geprägte Unternehmenskultur entwickeln und sich für das Gemeinwohl stark machen. „Begleitet vom Sozialinstitut Kommende Dortmund finden ganz unterschiedliche Leute in Leitungsfunktionen dort einen geschützten Raum, wo sie nicht miteinander in Konkurrenz stehen. Wir führen Bibelgespräche und können offen über Glauben, Persönliches, aber auch mit der Arbeit verbundene Probleme reden.“

Im eng getakteten Arbeitsalltag sucht Markus sich Oasen, Zufluchtsorte, um den Blick frei zu bekommen für das Wesentliche: „Ich habe gewisse Rituale, um zu mir zu kommen und auch Gott in meinem Tag mitzunehmen. Ich lese das Evangelium vom Tag oder nehme die „Neue Stadt” mit dem Wort des Lebens mit auf meine Reisen. Dann merke ich vor einem schwierigen Meeting, ich gehe nicht allein hinein. Und sage vorher: ‚Herr, ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll! Hilf, dass wir etwas Konstruktives erreichen!’”
Seine Werte leben, am Wesentlichen festhalten, darunter versteht Markus auch, nicht alles mitzunehmen, was ihm angeboten wird. „Unsere Händler in Saudi-Arabien hatten mit unseren Baumaschinen die Formel 1-Rennstrecke in Dschidda gebaut. Als ich vor einigen Wochen dort war, hätte ich mit zum Rennen gehen können, auf die Tribüne, die Fahrer treffen, in die Boxengasse.“ Verzicht, Bescheidenheit ist sein Weg, um sich nicht als etwas Besseres zu fühlen und von vielen Menschen als einer von ihnen akzeptiert zu werden. Manche Kunden wollen Geschenke machen. „Eine Einladung zum Abendessen oder eine gute Flasche Wein sind okay, aber Wertvolleres nehme ich nicht an. Und den Wein gebe ich Kollegen vom Reinigungs- oder Wachdienst weiter. Die haben geringere Einkommen und freuen sich, dass ich an sie denke.“
Markus hat mittlerweile viel Management-Erfahrung, ist sich aber auch seiner „blinden Flecken“ bewusst. „Ich sehe eher die große Linie, aber nicht so sehr die Details. Daher brauche ich jemanden, der über die Businesspläne schaut und Fehler findet.“ Ihm als Chef eine ehrliche Rückmeldung geben und auch mal widersprechen, davor haben viele Angst. „In den jährlichen Mitarbeitergesprächen bitte ich daher ausdrücklich darum, mir ehrlich zu sagen, wo ich mich verbessern kann.“ Ob seine Kollegen darauf eingehen können, hängt auch von seinem Verhalten ab. Sich zurücknehmen können, bescheiden auftreten, ist für Markus entscheidend. „Wenn sie den Eindruck haben, ich höre nicht richtig zu oder weiß sowieso alles besser, werden sie mir bestimmt nichts sagen!“

Markus hat Durststrecken erlebt, Zeiten ohne Erfolge. „Niederlagen, wo Leute hart zu mir sind, Händler mit mir unzufrieden sind, mich gemeinsam unter Druck setzen. Dabei geht es auch um viel Geld!“ Einmal hat ihn ein Chef für zu geringe Verkaufszahlen verantwortlich gemacht und vor der Belegschaft bloßgestellt. Den Eindruck, gescheitert zu sein, hatte er auch in anderen Situationen. „Ein anderer Chef hatte unglaublich Druck auf mich ausgeübt. In jener Zeit ist mir einer Mitarbeiterin gegenüber der Geduldsfaden gerissen. Ich habe sie ziemlich angeherrscht! Hinterher hat es mir sehr leidgetan und ich habe sie um Verzeihung gebeten.“
Markus begeistert, dass er als Führungskraft die Chance hat, seinen Verantwortungsbereich zum Guten hin mitzugestalten. Zum Beispiel hat er bewusst einen Bewerber eingestellt, der selbstständig gewesen und in Konkurs gegangen war. So hat er ihm ermöglicht, seine Schulden abzuzahlen. Junge Menschen in ihrer Entwicklung zu begleiten, fasziniert ihn. „In 18 Monaten konnte ich die Frauenrate in Führungspositionen von 25 auf 52 Prozent steigern. Das ging nur mit guten Argumenten: dass wir als Team erfolgreicher sein werden, wenn wir vielfältiger aufgestellt sind.“ Manchmal trauen sich junge Frauen Führungsaufgaben nicht zu, hat Markus erlebt. „‚Nein, das ist keine Nummer zu groß für dich! Das kannst du!’ – Ich ermutige sie und schaue, wie ich sie unterstützen kann. Denn ich möchte in jedem Fall meine Leute inspirieren, so dass sie sich entwickeln und ihre persönliche Vision vom Leben finden können.“
Clemens Behr

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Juli/August 2022)
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