1. August 2022

WORT DES LEBENS . PLUS

Von nst5

Wie spricht Jesus mit den Menschen?

Ein Stichwort dieser Tage heißt „Kommunikation“. In Krisenzeiten muss man miteinander reden, um Fakten zu sichern, Handlungsmöglichkeiten in Blick zu nehmen, Konsequenzen zu bedenken und um der Überforderung Herr zu werden.
Schon als Jugendliche überraschte mich, wie unterschiedlich Jesus in den überlieferten Begegnungen mit dem Gegenüber spricht. Was ist das Geheimnis seiner Kommunikation? Hat er eine Methode, verfolgt er bestimmte Ziele, begründen Werte seine Gespräche, oder ist er einfach ein Naturtalent? Mir scheint, dass seine Begegnungen von einer Grundmelodie getragen werden, die in der Begegnung zwischen ihm und Bartimäus explizit erklingt: „Was willst du, dass ich dir tun soll?“ (Lukas 18,41). Mit dieser Frage nimmt Jesus den um Hilfe suchenden Bartimäus in den Blick. Er versichert ihm, dass er auf ihn hört, ihn als Individuum erkennt, das durch die persönlichen und sozialen Umstände ebenso geprägt und gebunden ist wie durch die Geschichte und ihre Kultur und Tradition.
Im „Wort des Lebens“ von Juli steht Marta im Mittelpunkt. Sie weiß was sie will. Sie bittet um Entlastung. Und auch in dieser Begegnung nimmt Jesus seine Gesprächspartnerin ernst. Mit seiner doppelten, liebevollen Anrede drückt er seine Wertschätzung aus, die er ihr als Hausherrin und Gastgeberin entgegenbringt, und ermutigt sie zugleich, ihren eigenen Anspruch und das geschäftige Tun zu hinterfragen, um sich aus der Gefangenschaft des alltäglich Gültigen befreien zu lassen.
Der kulturell bedingten Hochschätzung der Gastfreundschaft stellt Jesus das ebenfalls kulturell bedingte „einzig Notwendige“ gegenüber: Das Studium der Tora, der Geschichte Gottes, der nicht müde wird, zu Gunsten seines bedrohten und bedrängten Volkes Israel befreiend und rettend einzugreifen und es in jeder Generation wiederholt. Da, wo zwei die Tora durstig aufnehmen, wohnt die Herrlichkeit Gottes. Ein neues Licht fällt in den Alltag: Die Tradition der Gastfreundschaft wird weder jetzt noch in Zukunft infrage gestellt. Doch fallen kann das unhinterfragte „Immer weiter so wie gehabt“.
Zirka 1500 Jahre später, als viele Anfechtungen Martin Luther quälten und er sich seinen Aufgaben nicht gewachsen sah, wiederholte sein Beichtvater Johann von Staupitz den immer gleichen Satz: „Martinus, lies die Heilige Schrift.“ So weiß es eine Anekdote, und die Folgen sind hinreichend bekannt.
Die Bibel gibt uns also auch Anhaltspunkte dafür, wie Kommunikation auf Augenhöhe gelingen kann.
Marie-Luise Fischer

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Juli/August 2022)
Ihre Meinung ist uns wichtig, schreiben Sie uns! Anschrift und E-Mail finden Sie unter Kontakt.
(c) Alle Rechte bei Verlag Neue Stadt, München