1. Dezember 2022

PASSIERT

Von nst5

Aus dem Leben mit dem Wort

Grafik: (c) Gwens Graphic Studio (iStock)

Eine albanische Studentin, die in Österreich studieren wollte, hatte um Unterstützung gebeten. Ich schrieb einen kleinen Artikel darüber in den Pfarrnachrichten. Nach einem Gottesdienst übergab mir eine ältere Frau mit osteuropäischen Wurzeln, die in einer tiefen Beziehung mit Gott lebt, einen Briefumschlag. Darin fand ich eine hohe dreistellige Summe für die junge Studentin. Beim nächsten Treffen sagte ich der Frau: „Ihre Gabe hat mein Herz sehr berührt!“ Sie erwiderte: „Ich weiß, wie es ist, wenn man Pläne hat und sie nicht verwirklichen kann, weil man nichts hat. Ich möchte, dass es der jungen Frau nicht so ergeht!“
M.M.

Eine 13-Jährige wurde mir spät abends wegen akuter Bauchschmerzen vorgestellt. Ich traf auf ein ungemein reifes, aber sehr schmerzgeplagtes Mädchen. Schnell war klar: Ich musste sie noch in der Nacht operieren. Es gelang mir, eine so gute Beziehung zu ihr aufzubauen, dass sie – gemeinsam mit ihrer Mutter – in die notwendige OP einwilligte, ohne panisch zu werden. Der durchaus nicht leichte Eingriff gelang gut. Am anderen Tag schon konnte sie nahezu beschwerdefrei entlassen werden. Nach einer Woche kam sie erneut mit ihrer Mutter zu mir. Sie schenkte mir einen Schlüsselanhänger; er hatte die Form einer Hand, die ein Kind in sich behütet. Und sie sagte, sie habe sich bei mir genauso sicher und geborgen gefühlt.
P.B.

Auf einer längeren Wanderung machte ich Rast auf einer Bank. Drei Ehepaare gesellten sich zu mir. Wir begannen ein lustiges Gespräch und freuten uns, einander kennenzulernen. Ich hatte noch drei Fruchtschnitten in meinem Rucksack, für jedes Ehepaar eine. Ich gab sie ihnen mit der scherzhaften Bemerkung, Ehe würde ja auch bedeuten, das Leben zu teilen. Gern nahmen sie die kleine Gabe an. Am Ende dankten wir einander für diesen kurzen Augenblick der Begegnung. „Der bleibt bestimmt in meinem Herzen!“, sagte eine der Wanderinnen, als ich weiterzog.
M.W.

Im Gespräch mit Freunden über die wirtschaftliche Krise in Argentinien erfuhren wir, dass es dort nicht einmal genug Schulbücher gab. Uns kam die Idee, bei anderen Familien nachzufragen, welche Bücher sie abgeben konnten. Die Resonanz war unmittelbar und großzügig. Einige schalteten sogar Anzeigen in Zeitungen, andere riefen beim Radiosender an oder fragten in Kirchengemeinden und Elternvereinigungen nach. Die Initiative zog Kreise bis in andere Städte. So haben wir siebzehn Zentner Bücher aller Schulstufen gesammelt. Auch das Geld für den Transport kam schnell zusammen. Weil wir keine Erfahrung hatten, traten natürlich immer wieder Probleme und neue Fragen auf. Aber miteinander konnten wir für alles Lösungen finden. Oft wurden wir gefragt, was uns zu dieser Aktion veranlasst hatte: der Wunsch, mit unseren kleinen Möglichkeiten etwas zu einer besseren, geschwisterlichen Welt beizutragen.
S.A. – Spanien

Ich war froh, dass ich es rechtzeitig zum Arzttermin geschafft hatte. Da ging plötzlich eine Dame in der Warteschlange an mir vorbei, als wäre nichts geschehen. Sofort rebellierte es in mir und ich war kurz davor, mir laut und energisch Gehör zu verschaffen. Da kam mir der Gedanke an bestimmte Szenen, die ich aus dem Krieg in der Ukraine gesehen hatte. Ich beschloss, das Beharren auf meine Rechte in Höflichkeit und ein „Willkommen!“ zu verwandeln. Mir wurde dabei bewusst, wie schwer es ist, die Vorstellung von dem, was man für sein Recht hält, abzulegen. Zu Hause erzählte ich, was mir passiert war – auch mein inneres Ringen. Nach langem Schweigen meldete sich unsere älteste Tochter zu Wort und erzählte von Erlebnissen an der Universität. Am Ende kommen wir zum Schluss, dass der „Krieg“ auch in uns lauert, wir ihn durch Vergebung aber gewinnen können.
F.I. – Italien

In Kolumbien ist der Vater das Rückgrat der Familie. Aber seit unsere Tochter das Gymnasium besucht, ist das Verhältnis zu ihr schwierig geworden. Es kommt immer wieder zu Auseinandersetzungen. Sie ist charakterstark, wie ich, aber ich bin der Erwachsene und habe eine gewisse Lebenserfahrung. Vor Kurzem sah ich sie spät abends noch am Computer. Als ich sie darauf hinwies, dass es Zeit sei, ins Bett zu gehen, erwiderte sie, dass sie noch etwas zu erledigen habe. Mich schockierte, dass sie mich nicht ernst nahm, ja sogar zum ersten Mal ihre Stimme erhob. So habe ich das Modem ausgesteckt, damit sie nicht mehr surfen konnte. Tagelang sprach sie nicht mit mir, die Atmosphäre war angespannt. Irgendwann kamen mir Zweifel an meiner Vorgehensweise. Ich bat Gott um die Kraft, ruhiger zu werden, weniger stolz zu sein und den ersten Schritt zu tun, um eine neue Beziehung zu ihr aufzubauen. Als sie diese Mühe bemerkte, kam sie und entschuldigte sich.
G.G.

Ich lebe in einer internationalen Kommunität in Spanien. An einem Mittwochabend hatten wir um 20.30 Uhr Probe unserer Trommelgruppe. Allerdings stellte sich heraus, dass im Nebenraum noch eine andere Gruppe bis mindestens 21 Uhr beten würde. Wir konnten also noch nicht anfangen – und „der Deutsche in mir“ fragte sich: „Warum haben wir nicht von vornherein erst um 21 Uhr begonnen? Dann hätte ich auch noch essen können!“ Aber ich habe JA gesagt zu der Situation und mich ganz in den Abend hinein engagiert. Wir haben bis 23 Uhr getrommelt. Wäre ich bei meinem Ärger stehen geblieben, hätte ich die anderen „Mittrommler“ aus dem Blick verloren. Wenn ich „wach“ bin, dann geschieht eben Begegnung – auch mit Gott.
A.S. aus Madrid


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Der Artikel oben ist erschienen in der NEUEN STADT, November/Dezember 2022.
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