2. Dezember 2022

Vernetzen und Kräfte bündeln

Von nst5

Andreas Kaczynski

Foto: privat

ist seit 2005 Vorstandsvorsitzender des „PARITÄTISCHEN“, dem Dachverband der Wohlfahrtsverbände in Brandenburg. Seit seinem Pflegepraktikum und dem Zivildienst liegen ihm die Themen „Pflege“ und „Altern in Würde“ besonders am Herzen. Er kennt die Situation der Altenpflege aus vielen Perspektiven – der Anbieter, Kommunen, Kassen, Wohlfahrtsverbände, der Politik und der demografischen Entwicklung sowie der deutschen Gesetzgebung.

Wenn wir die Pflege älterer Menschen auch in Zukunft menschenwürdig gewährleisten wollen, müssen wir dringend konzeptionell und finanziell umsteuern! Ich sehe dabei drei Ansatzpunkte.
1. Alle Möglichkeiten nutzen, um Pflegebedürftigkeit solange wie möglich hinauszuzögern. Das beginnt mit dem Angebot gesundheitsfördernder Kurse, geht weiter über die altersgerechte Ausgestaltung von Wohnraum und Wohnumfeld – etwa um Stürze und Oberschenkelhalsbrüche zu vermeiden – bis hin zur sozialen Einbindung älterer Menschen, um so drohender Vereinsamung entgegenzuwirken. Untersuchungen zeigen, dass Menschen, die sich in ihrem angestammten Umfeld sicher und geborgen fühlen, später pflegebedürftig werden – und jeder Monat bedeutet mehr Lebensqualität, hilft Personal und Geld sparen. Um die dazu nötigen Maßnahmen auf- und auszubauen, bedarf es eines Quartiersmanagements, im ländlichen geprägten Brandenburg sprechen wir von „Kümmerern“, die Menschen und Ressourcen zusammenbringen. Das kostet Geld. Hier wird der „Strickfehler“ im aktuellen Recht deutlich: Wir finanzieren Pflegebedürftigkeit und Krankheit, aber keine Prävention. Das muss sich dringend ändern!

Grafik: (c) Yulia Sutyagina (iStock)

2. Wir brauchen in Kommunen und Kreisen wieder ein Bewusstsein für die Herausforderungen der Pflege. Jahrzehntelang hat dies „der Markt“ geregelt. Bei schrumpfenden Angebotsstrukturen (Pflegeplätze und -kräfte, Ärzte, Apotheken etc.) kommt einer vorausschauenden kommunalen Sozialplanung zentrale Bedeutung zu, um die Versorgung in der Fläche sicherzustellen. Außerdem brauchen wir mehr rechtliche Spielräume, um etwa Krankenpflegekräfte (Gemeindeschwestern) mit ärztlichen Aufgaben und Kompetenzen auszustatten, damit sie in Dörfern und Gemeinden tätig werden können, wo es keine Arztpraxis mehr gibt.
3. Geeignetes Personal finden. Das bedeutet auch eine attraktive Ausbildungsvergütung, das Anwerben ausländischer Fachkräfte, die öffentliche Anerkennung eines attraktiven Berufsbilds und gute Löhne. Hier hat sich aufgrund der neuen „generalistischen Ausbildung“, also einer gemeinsamen Ausbildung von Alten- und Krankenpflege, viel getan. Die gesetzliche Tarifbindung sowie der Fachkräftemangel haben viel Bewegung in die früher teils sehr niedrigen Löhne gebracht. Mit der Folge, dass Pflege deutlich teurer geworden ist und viele auf ergänzende Sozialleistungen angewiesen sind. Hier ist der Gesetzgeber gefordert, die Pflegeversicherung endlich neu auszugestalten. Eine Aufgabe, die der Bund bisher wegen der erwarteten Mehrkosten erfolgreich ausgesessen hat.
Auf Initiative der Wohlfahrtsverbände und mit Unterstützung der Kranken- und Pflegekassen sowie vieler Kommunen hat hier in Brandenburg die Landesregierung einen breit aufgestellten Pflegepakt auf den Weg gebracht. Dafür wurden erhebliche Mittel gebunden, die jetzt in verschiedene Förderrichtlinien gemündet sind. Mit diesem Geld finanzieren wir „Pflege vor Ort“, den Ausbau von „Pflegestützpunkten“, den Aufbau von Sozialplanungskompetenzen oder die Entwicklung niedrigschwelliger, kleiner Tagespflegestrukturen auf dem Land. Wir hoffen, dass es gelingt, die notwendigen finanziellen Mittel dauerhaft zu sichern, zumindest solange der Bundesgesetzgeber seine Hausaufgaben noch nicht gemacht hat.


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Der Artikel oben ist erschienen in der NEUEN STADT, November/Dezember 2022.
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