1. Dezember 2022

Sich verlassen

Von nst5

„Kaum macht man’s richtig, schon klappt’s!”

Das klingt schlüssig und ist bewährte Praxis im Alltag – nicht nur am PC. Diese Sichtweise – ursprünglich aus dem technischen Bereich – prägt mittlerweile weitgehend unsere Arbeits- und Lebensprozesse.
„Kaum macht man’s richtig, schon klappt’s!“ Diese verlockende Lebensweisheit verspricht Erfolg und sie benennt die Bedingung: das eigene, fehlerfreie Handeln. Man muss es nur wollen. Umgekehrt gilt: Wenn etwas nicht klappt, muss ein Schuldiger dafür gefunden und der Fehler ausgemerzt werden, damit alles wieder reibungslos läuft.
Selbst im geistlichen Leben kann sich dieses Schema subtil und unreflektiert einschleichen und den Blick auf das eigene richtige Verhalten lenken, das Gott mit seiner Zuwendung belohnen und sein Reich von Frieden, Einheit und Gerechtigkeit geradezu zwangsläufig herbeiführen soll. Beim Ausbleiben dieser Automatik stellt sich dann die Frage, was da falsch läuft. Wo liegt der Fehler im System? Wer ist der Störfaktor?
Wie befreiend anders ist dagegen das „Wort des Lebens“ für Dezember!
Es führt weg von den Bemühungen der Selbstoptimierung und der Erhöhung seiner selbst oder der eigenen Gruppe und stellt Gott als ewigen Fels in den Mittelpunkt: Dieser Fels ist keine Plattform, die Auserwählte für sich gegen andere beanspruchen können, sondern das Angebot einer felsenfesten, tragfähigen Beziehung zum lebendigen Gott, die – wie später das Neue Testament bezeugt – jedem Menschen gilt. Ein unerschütterliches Fundament, das jedes menschliche Schicksal und die Welt aushält – im jeweiligen Jetzt-Zustand, wie auch immer dieser aussehen mag.
Auf diesem Urgrund lädt das Schriftwort jeden Menschen ein, sich zu öffnen und eine realistische Einschätzung der persönlichen und gesellschaftlichen Situation zu wagen; dabei auch das anzuschauen und offenzulegen, was nicht klappt: Unzulänglichkeiten, Überforderungen, Ängste, Schuld, …
Das Schriftwort geht jedoch noch einen entscheidenden Schritt weiter: „Verlasst euch stets auf den Herrn“ ist die Herausforderung, mich selbst und das, was mich bindet, zu (ver-)lassen, um mich auf Gott zu verlassen; mich anzuvertrauen im Zwiegespräch mit Gott und im Gespräch mit anderen.
Seiner Gegenwart traue ich zu, dass sie eine „ewige“ lebendige Dynamik entstehen lassen kann, die uns Menschen zu einer neuen Erfahrung führt und uns neu handeln lässt. Sie lässt Raum und gibt Kraft zur kreativen Veränderung und befreit zur Gemeinschaft ­– in großen Prozessen wie in kleinen Alltagssituationen.
Vielleicht kann man so sagen: „Kaum öffne und (ver-)lasse ich mich – obwohl nicht alles klappt –, kann Gottes lebendige Liebe tragender Grund jeder Situation werden.“
Andrea Blaschke


Hat Ihnen der Artikel gefallen? Möchten Sie mehr von uns lesen? Dann können Sie hier das Magazin NEUE STADT abonnieren oder ein kostenloses Probe-Heft anfordern.
Der Artikel oben ist erschienen in der NEUEN STADT, November/Dezember 2022.
(c) Alle Rechte bei Verlag Neue Stadt, München
Ihre Meinung ist uns wichtig, schreiben Sie uns! Anschrift und E-Mail finden Sie unter Kontakt.