1. Februar 2023

PASSIERT

Von nst5

Aus dem Leben mit dem Wort

Illustration: (c) Anastassiia (iStock)

Unser Motto für den Tag lautete: „Gott begegnet uns in jedem Menschen.“ Am Nachmittag besuchten wir eine Bekannte im Seniorenheim. Dabei haben wir am Anfang immer genügend Gesprächsstoff. Aber dann fallen uns immer weniger Dinge ein. Dieses Mal erinnerten wir uns an die Morgengymnastik, die wir vor dem Fernseher mitgemacht hatten. Wir flochten in unser Gespräch immer wieder kleine Gymnastikübungen ein: Schulter heben und senken, Hände drehen, Füße strecken … Dabei mussten wir viel lachen; es machte uns allen großen Spaß. Irgendwann äußerte die Bekannte: „Das war der schönste Tag seit Langem.“
W.G.

Ich hatte meine Verwandtschaft in ein Gasthaus eingeladen. Statt Geschenken hatte ich um Spenden für ein Kinderheim in der Ukraine gebeten. Aber viele meldeten sich und wollten mich auch persönlich beschenken. So habe ich mir zusätzlich für jede und jeden einen kleinen netten Gefallen ausgedacht, den sie mir machen könnten (Kochrezept, Wanderbegleitung, IT-Hilfe, …). Mir kamen Zweifel, ob ich mit meiner guten Idee meine so unterschiedlichen Verwandten nicht überfordert hatte. Die Zweifel erwiesen sich als unbegründet. Ich konnte 550 Euro für das Kinderheim überweisen. Vor allem aber hatten wir ein außergewöhnlich schönes familiäres Zusammensein.
R.W.

An der Kasse hatte sich eine Schlange gebildet. Eine Frau, die mit ihrem kleinen Enkel und seiner Schwester unterwegs war, geriet mit der Kassiererin in heftigen Streit. Der kleine Junge schrie schon längere Zeit laut. Plötzlich beugte sich die Schwester zu ihrem Bruder hinunter. Sanft und geduldig redete sie mit ihm, zeigte ihm eingekaufte Gegenstände und beruhigte ihn liebevoll. Der Kleine hörte auf zu weinen. Als die Kundin gegangen war, stand ich der Kassiererin gegenüber. Sie war sehr blass, hatte dunkle Ringe unter ihren Augen und erwartete wohl, dass wir uns bei ihr wegen der Wartezeit beschweren würden. Aber es entstand ein freundliches und verständnisvolles Gespräch. Das Mädchen hatte uns mit seiner Liebe zu ihrem Bruder ein Beispiel gegeben.
U.K.

Der im Kommentar zum Wort vom August zitierte Hinweis „den anderen mit immer neuen Augen sehen“ hilft mit sehr für das alltägliche Zusammenleben. In unserer Gemeinschaft sind wir sehr verschieden und ohne das „immer wieder neu“ wäre es schwer. Einer redet gerne, sodass die anderen kaum zum Zug kommen. Auch merke ich, dass wir sehr verschiedene Ansichten haben, was die Kirche oder die Politik betrifft. Ein anderer scheint vor allem die negativen Ereignisse im Leben zu sehen und zu kommentieren. Neulich versuchte ich, bewusst gegenzusteuern und erwähnte etwas Positives. Was ihn zu einem großen „Aber“ und einer weiteren Auflistung von Negativem veranlasste. Also auch da: „immer wieder neu“.
A.S.

Bei dem Wort dachte ich mir: Es gilt immer, wenn ich aus dem Zimmer hinausgehe – zu den Mitmenschen, zum Gebet, zu den Mahlzeiten, zu Gesprächen, auch zu Bewohnern und Mitarbeitenden im Pflegeheim, in die Stadt oder zum Wandern … Immer kann ich den Menschen die Liebe und Freude bringen, die ich selbst in der Begegnung mit Jesus erfahre. Oft sind das kleine Zeichen – ein Gruß, eine Wertschätzung, eine Hilfestellung, ein kleiner Spaß. Dabei entdecke ich, dass oft ganz spontan ein anerkennendes und frohes Wort aus mir herausfließt.
R.Z.

Vor Jahren hatte sie an der Firmvorbereitung unserer Pfarrei teilgenommen. Ganz lose hatte sich der Kontakt gehalten. So war sie im SMS-Verteiler, mit dem wir jeden Morgen einen kurzen Kommentar zum Tagesevangelium verschicken. Mittlerweile hat sie ihre Berufsausbildung beendet und arbeitet als Polizistin in einer Stadt fern ihrer Heimat. Unvermutet musste ich an sie denken. So schickte ich ihr einen herzlichen Gruß via WhatsApp. Wenige Augenblicke später ließ sie mich wissen, wie froh sie war, dass der Kontakt auch über die Firmung hinaus gehalten hatte. „Das soll auch in Zukunft so bleiben! Ich verstehe mich total gut mit meinen Kollegen. Ich bekomme ja jeden Tag die Kurzimpulse aus dem Evangelium. Die teile ich mit meinen Kollegen an der Arbeitsstelle. Das hilft uns sehr!“
M.W.

Ich hatte noch ein wenig Zeit. So ging ich an einen Ort, an dem sich nachmittags ukrainische Flüchtlinge trafen. Ein junges Paar fiel mir auf. Sie standen mit einem kleinen Kind am Rand und schienen ein wenig scheu. Ich gesellte mich zu ihnen. Die Verständigung war nicht leicht. Immer wieder musste ein Übersetzungsprogramm helfen. Die Frau war mit dem Kind schon über sechs Monate in Deutschland, der Mann erst kürzlich aus einem annektierten Gebiet geflohen. Er mühte sich, von sich und seiner Situation zu erzählen. Als ich mich nach einer guten Stunde verabschiedete, tippte der Mann einen ukrainischen Satz in sein Handy. Übersetzt las ich: „Danke, dass du bei uns geblieben bist und uns deine Zeit und deine Nähe geschenkt hast!“
M.W.

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Der Artikel oben ist erschienen in der NEUEN STADT, Januar/Februar 2023.
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