18. Juni 2024

Einander sichern

Von nst5

Manchmal treffen mich Sätze, Bemerkungen

oder Eindrücke, ich horche auf und kann doch nicht auf Anhieb sagen, warum das so ist. Manchmal verstehe ich nach und nach besser den Grund dafür. Manchmal geraten sie aber auch in Vergessenheit, weil anderes sich darüberlegt.
Ein Beispiel ist der Titel des Interviews dieser Ausgabe: „Sicher in der Unsicherheit“ (S. 19). Er hatte mich getroffen – und war dann wieder in den Hintergrund getreten. Nach vorne gedrängt hat er sich nun erneut, als mir beim schnellen Durchblättern des Heftes am PC zwei andere Sätze aus ganz unterschiedlichen Artikeln „ins Auge gesprungen“ sind.
„Ich spürte deutlich, dass die Menschen, die mir zu einem beruflichen Wechsel rieten, es gut mit mir meinten“, sagt Thomas Wollinger (S. 13) fast nebenher, wenn er uns Anteil gibt an den Überlegungen, die zu einer Veränderung in seinem Leben führten.

Titelbild: (c) Jr Korpa (Unsplash)

Bernhard Rösch hingegen erzählt vom Einsatz einer Stiftung in Ägypten, die sich um sudanesische Flüchtlinge in Kairo kümmert (S. 32). Sie bewegen – auch ganz handfest – vieles: Matratzen, Badelatschen, Möbel, Milchpulver, Decken, Gaskocher. Am Ende aber geht es vor allem darum: „Wir wollen den Menschen zeigen, dass wir sie schätzen und achten.“
Ich kann gut verstehen, dass Menschen – auch ich – immer wieder zutiefst beunruhigt sind, wenn sie auf aktuelle Entwicklungen schauen. Nicht nur weil der Weltfrieden so bedroht ist wie lange nicht mehr und grundlegende Werte unseres menschlichen Zusammenlebens so sehr ins Wanken kommen. Ich kann auch gut nachvollziehen, dass viele sich um ihre Sicherheit sorgen. Damit wir als Einzelne und als Gemeinschaft leben, wachsen und reifen können, brauchen wir sichere Rahmenbedingungen. Sich darum zu kümmern, liegt vor allem in der Verantwortung der Politik.
Aber ich? Wie finde und bewahre ich mir feste Ankerpunkte, und was kann ich tun, damit andere diese finden? Wie können wir uns gegenseitig sichern?
Darauf gibt es natürlich unterschiedliche Antworten. Vielleicht finden Sie in diesem Heft die eine oder andere Spur zu einer für Sie tragfähigen Antwort. Mir persönlich scheint, dass ich diese Spur in den beiden genannten Sätzen gefunden habe: Es gut miteinander meinen und einander zeigen, dass wir uns schätzen und achten. Gern möchte ich dieser Spur in den nächsten Wochen folgen und achtsam bleiben dafür, wo mir das von anderen geschenkt wird und wo ich anderen so ein wenig Sicherheit schenken kann – wie in einer Seilschaft, die auch in unwegsamem Gelände gesichert vorangehen kann.
Von Herzen wünsche ich Ihnen, dass auch Sie das immer wieder erfahren. Und wer weiß? Vielleicht möchten Sie mir von Ihren Spuren erzählen. Ich würde mich freuen.
Ihre Gabi Ballweg


Hat Ihnen der Artikel gefallen? Möchten Sie mehr von uns lesen? Dann können Sie hier das Magazin NEUE STADT abonnieren oder ein kostenloses Probe-Heft anfordern.
Der Artikel oben ist erschienen in der NEUEN STADT, Mai/Juni 2024.
(c) Alle Rechte bei Verlag Neue Stadt, München
Ihre Meinung interessiert uns: Schreiben Sie uns! Anschrift und E-Mail finden Sie unter Kontakt.