Passiert
Aus dem Leben mit dem Wort
In meiner Klasse war es wiederholt zu Diebstählen gekommen. Bald kam heraus, wer es war. Ich war wütend. Bestrafungen kamen mir in den Sinn. Aber das würde dem Kind nicht helfen. Ich betete zum Heiligen Geist und suchte dann das Gespräch mit dem Schüler. Dabei bat ich ihn, mit Lego-Steinen eine Brücke zu bauen. Als sie fertig war, erklärte ich: „Jedes Mal, wenn du lügst oder stiehlst, bricht ein Stein aus der Brücke des Vertrauens zwischen uns. Irgendwann ist sie dann ganz zerstört.“ Zur Erinnerung gab ich ihm ein rotes Steinchen und legte auch eines in meine Büchertasche. Nach Wochen war wieder ein Diebstahl zu beklagen. Erneut suchte ich das Gespräch mit dem Schüler, der heftig bestritt. Ich legte mein rotes Steinchen neben ihn und ließ ihn allein. Am Ende der Stunde kam er und gestand.
G.W.
Ich war bei einem sehr gelungenen Chorkonzert meines Nachfolgers als Kirchenmusiker dabei. Auf dem Heimweg kam mir die Frage, wer wohl nun aufräumte. Mein erster Gedanke: „Wenn er es alleine machen muss, lernt er, beim nächsten Mal schon vorher Leute anzusprechen.“ Dann ein Satz, der mich in den Tagen zuvor beschäftigt hatte: „Gott spricht durch die Wirklichkeit zu dir.“ Wollte er mir jetzt etwas sagen? Ich kehrte um. Tatsächlich war der Musiker allein am Aufräumen und nahm meine Hilfe dankbar an. Nach eineinhalb Stunden gab es noch ein gemeinsames Bier, und danach ging auch ich frohgemut nach Hause.
B.R.
„Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt; denn Gott ist Liebe“ (1 Johannes 4,8).
„Beginnen wir mit den kleinen Dingen, den unscheinbarsten Handreichungen.“ Dieser Satz im Kommentar zum Wort vom Mai war mir beim Lesen aufgefallen. Ich erinnerte mich an ihn, als es darum ging, wer die Eintrittskarten für unsere Gruppe abholte, und sich niemand meldete. „Ausgerechnet ich?“, fragte ich mich. Dann kam mir: „Das ist eine Gelegenheit für einen unscheinbaren Dienst.“ Mit diesem Impuls brachte ich dann auch Altpapier und Altglas, die sich schon seit Längerem in unserem Haus angesammelt hatten, zu den Containern.
A.S.
Bei einer Sitzung auf der Arbeit war die Atmosphäre sehr angespannt, der Tonfall hart und anklagend. Wie konnte ich dazu beitragen, die Gemüter zu beruhigen? Reden schien unmöglich, vielleicht sogar kontraproduktiv. Ich hörte allen gut zu, versuchte, innerlich ruhig zu bleiben und die Gründe der Einzelnen zu verstehen. Das war anstrengend. In der Pause kam der Kollege, der am aufgebrachtesten geredet hatte, auf mich zu und entschuldigte sich für sein Verhalten. Ich umarmte ihn, ohne etwas zu sagen. Er fuhr fort: „Meine Frau hat gestern erfahren, dass sie eine unheilbare Krankheit hat. Ich bin verzweifelt.“ Ich versprach, ihnen zur Seite zu stehen. Als wir die Sitzung wieder aufnahmen, hatte sich die Atmosphäre verändert.
E.J.
Als Gefängnisseelsorger versuche ich, in jedem Gefangenen Christus zu sehen. Vor Ostern hatte ich Passagen aus dem Evangelium ausgesucht und Erfahrungen einiger junger Menschen dazu zusammengestellt. Das stieß auf Interesse. Deshalb wollte ich einen Schritt weitergehen und lud diese jungen Menschen ein, zu einem Gottesdienst ins Gefängnis zu kommen. Nachdem wir die notwendigen Genehmigungen eingeholt hatten, beteten wir, dass diese Feier ein Geschenk für die Insassen sein möge. Nach dem Gottesdienst, bei dem die Besucher gesungen hatten, sah ich einige hartgesottene Männer mit Tränen in den Augen. Seitdem kommen die jungen Menschen einmal im Monat. Als ein Häftling in ein anderes Gefängnis verlegt wurde, um näher bei seiner Familie zu sein, bedauerte er nur eines: den Verlust dieser Besuche.
D.M.
Eine Studienfreundin rief an. Seit einiger Zeit hatte ich nichts mehr gehört. Sie fragte mich nach Neuigkeiten – auch über die Kinder und insbesondere das jüngste. Offensichtlich hatte sie nicht erfahren, dass ich das Kind verloren hatte. Ich erzählte, wie es gelaufen war. Dabei hatte ich den Eindruck, dass ich ihr auch die intimste Erfahrung dieses schmerzhaften Ereignisses mitteilen konnte: die vertiefte Beziehung mit Gott, die ich wohl dank der Unterstützung und konkreten Liebe von Familie und Freunden erfahren hatte. Während des Studiums hatten wir nie über Gott gesprochen. Deshalb war ich sehr überrascht, als sie mir am Ende des Telefongesprächs anvertraute: „Weißt du, tief im Inneren habe ich oft die Frage nach Gott gehabt. Auch wenn ich es nicht zugeben wollte. Aber jetzt, wo ich dich so erlebe, würde ich mich freuen, das zu vertiefen. Warum treffen wir uns nicht, um darüber zu sprechen?“
J.V.
Meine Eltern hatten mir erlaubt, an einem Tanzwettbewerb der Schule mitzumachen, solange ich trotzdem genug Zeit fürs Lernen hatte. Ich musste aber sehr viel trainieren und war sehr gestresst. Obwohl ich wusste, dass es nicht richtig war, habe ich dann bei einer Prüfung abgeschrieben. Als die Lehrerin das entdeckte, schämte ich mich und fühlte mich schuldig. Deshalb gestand ich meinen Eltern alles und bat sie um Entschuldigung. Sie waren enttäuscht. Aber ich war trotzdem erleichtert – dass ich es ihnen gesagt hatte und dass sie mir die Chance geben, neu anzufangen – auch wenn ich einen Fehler gemacht hatte.
A.G. (14 J.)
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Der Artikel oben ist erschienen in der NEUEN STADT, Juli/August 2024.
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