“Bei mir bist du sicher“
Nachrichten und Bilder von Krieg und Gewalt erreichen auch Kinder.
Was ist wichtig, um in Familie, Kindergarten und Schule gut damit umzugehen? Sollten Eltern, Pädagoginnen und Pädagogen das Thema von sich aus ansprechen – und wie – oder warten, bis die Kinder fragen?
Andrea Hendrich
Familientherapeutin, Tutzing
Bei belastenden Themen wie Krieg oder Gewalt ist es zunächst wichtig, die Sorgen der Kinder ernst zu nehmen und ihnen Raum zu geben. Das setzt voraus, dass wir uns der eigenen Ängste bewusst sind und mit ihnen umgehen können.
Wenn Sie merken, dass Ihr Kind bei diesem Thema bedrückt wirkt, oder wenn es das Thema aktiv an Sie heranträgt, sollten Sie dem Gespräch nicht ausweichen. Dabei ist es wichtig, das Kind nicht mit überflüssigen Fakten zu überfordern und kindgerecht zu antworten. Wenn es selbst tiefergehende Fragen stellt, gehen Sie darauf ein. Und wenn Sie Fragen nicht sofort beantworten können, nehmen Sie sich Zeit zum Nachdenken.
Wie in anderen Situationen gilt auch hier: Kinder brauchen einfühlsame Erwachsene, Sicherheit und ein Gefühl dafür, wie sie sich verhalten können.
Vermitteln Sie Ihrem Kind, dass es selbst in Sicherheit ist und was Sie als Erwachsene, als Familie – oder auch die Regierung – für seine Sicherheit tun. Vielleicht hilft es, selbst aktiv zu werden, etwa mit dem Sammeln von Spenden für die Kriegsregion.
Und vermeiden Sie konkrete Kriegsbilder, wie sie im Fernsehen ausgestrahlt werden. Sind solche erst einmal im Kopf, bekommt man sie nur sehr schwer wieder los.
Clemens Metzmacher
Psychotherapeut und Supervisor in Dresden (D) und Unterengadin (CH)
Die Nachrichten über Krieg und Gewalt sind verstörend – ohne Frage. Und sie können schädigend wirken und hilflos machen. Besonders Bilder sprechen tiefe und prägende Bewusstseinsebenen an.
Ob und wie diese Themen angegangen werden sollten, ist wohl abhängig vom Alter der Kinder, vom Rahmen und auch der Rolle der Erwachsenen. Je kleiner die Kinder sind, desto wichtiger ist es, nur bei ihren Fragen zu bleiben.
Was Kinder in diesem Zusammenhang benötigen, ist vor allem Sicherheit in der Beziehung: „Ich bin da, und du bist bei mir sicher.“ Darüber hinaus kann die Forschung über die psychische Gesundheitsentwicklung bei belastenden Themen hilfreiche Anregungen geben: Notwendig ist, die Situation handhabbar zu gestalten – selbst etwas tun zu können, und sei es noch so klein. Dann ist Verstehbarkeit wichtig, die Situation angemessen einordnen zu können. Hier können und müssen Erwachsene aktiv helfen. Schließlich hilft es zu versuchen, dem Erlebten oder Gesehenen einen Sinn geben zu können. Es ist ein aktiver und nicht immer einfacher Prozess, dem Erlebten eine aufbauende Bedeutung zu geben und dieser Einsicht entsprechend zu handeln.
Letztlich ist es eine Frage an uns Erwachsene. Wie gehen wir mit diesen Nachrichten und Bildern um? Wachsen wir selbst vielleicht sogar daran und können so gute Begleiter für die Kinder sein?
Anita Berger
Mutter und Kirchenpflegerin, Staufen (AG)
Schrecklich, was wieder in den Nachrichten steht! Selbst mir wird es oft zu viel. Wie mag es wohl meinen Kindern damit gehen? Beim Abendessen, als alle vereint um den Tisch sitzen und wir Zeit füreinander haben, frage ich sie. Der Jüngste findet, er höre schon viel, von Schulkollegen, im Internet und im Fernsehen. Also wisse er, was läuft. Manchmal aber könne er es noch nicht einordnen. Da helfe ihm, wenn wir darüber sprechen und er auch unsere Meinung hört. Sonst bleibe er in seiner „Bubble“. Aber wir sollen warten, bis er fragt, und das Thema nicht erzwingen. Vor allem bei kleinen Kindern sollten die Erwachsenen warten können. Die Kinder signalisieren selbst, wenn sie bereit sind, mehr zu erfahren. Interessant, diese differenzierte und aufgeklärte Sicht meines Sohnes.
Die ältere Tochter sieht es ähnlich. Sie bekomme viel mit, durch Social Media, Schule und Kollegenkreis. Die Eltern sollen bereit sein, das Gespräch zu führen, aber warten, bis die Jungen danach fragen.
Sicher haben junge Menschen schnell eine unreflektierte und vom Mainstream geprägte Meinung zu Ereignissen. So ist es wichtig, dass Eltern und Lehrpersonen Interesse haben, was die Jungen denken, und ihnen helfen, die Informationen breit und reflektiert zu diskutieren. Aber Kinder sollen die Freiheit spüren, sich ihre eigene Meinung bilden zu dürfen. Das schafft Vertrauen.
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Der Artikel oben ist erschienen in der NEUEN STADT, September/Oktober 2024.
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