4. Dezember 2024

Wechselseitig

Von nst5

Karl-Christian Schelzke

Foto: (c) Schander

Jahrgang 1950, ist Kommunal- und Landespolitiker und war von 1992 bis 1999 Bürgermeister der Stadt Mühlheim am Main. Von 1999 bis 2020 war Schelzke Geschäftsführender Direktor des Hessischen Städte- und Gemeindebundes, einem Zusammenschluss von 400 hessischen Gemeinden und Städten sowie weiteren 120 Körperschaften. Der ehemalige Oberstaatsanwalt arbeitet derzeit als Strafverteidiger im kommunalen Umfeld.


„All I‘m asking is for a little respect.“ So sang die Soul-Ikone Aretha Franklin 1967. „Alles, was ich will, ist, dass du mir ein wenig Respekt entgegenbringst.“ Der Soul-Hit wurde zur Hymne der Bürger- und Frauenrechtsbewegung in den USA der 1960er- und 1970er-Jahre.
Respekt ist ein schillernder Begriff. Er kann Anerkennung, Bewunderung oder Achtung bedeuten. Aber auch, dass man sich bemüht, beim anderen aufgrund dessen übergeordneter Stellung kein Missfallen zu erregen. Einen eher Angst machenden Respekt hat man vor einer Sache oder Situation. Respekt muss somit nicht nur positiv verstanden werden. Die Begriffe Wertschätzung und Anerkennung sind da beredter und überwiegend positiv besetzt.
Der amerikanische Philosoph Stephen Darwall unterscheidet zwischen anerkennendem und bewertendem Respekt. Bewertender Respekt ist eine sachliche Einschätzung. Anerkennender Respekt meint mit Empathie einhergehende Wertschätzung, die man anderen wegen ihres Menschseins, ihrer Würde entgegenbringt. So verstanden ist er die Grundlage einer Gesellschaft, die auf Verständnis und Solidarität beruht, in der sich der Einzelne nicht als Einzelner, sondern als Teil eines wertschätzenden Ganzen versteht. Solches wird zuvörderst in einer demokratischen Gesellschaft möglich sein.
Leider ist aber der so verstandene Respekt in unserer Gesellschaft immer weniger anzutreffen. Vor allem in der Politik wird der Andersdenkende zum Gegner, ja zum Feind, der einer Wertschätzung nicht würdig ist. Jemandem Respekt, Wertschätzung entgegenbringen bedeutet nicht, dass man mit seinem Handeln und seinen Meinungen einverstanden ist. Aber als Mensch hat er seiner Würde wegen unsere Achtung verdient, auch wenn er sich nicht gleichermaßen verhalten sollte. Ein beredtes Beispiel hierfür ist Kamala Harris. Zu Beginn des TV-Duells geht sie auf ihren Kontrahenten Donald Trump zu und streckt ihm die Hand zur Begrüßung hin. Harris wird kaum mit auch nur einer Aussage von Trump einverstanden sein. Dennoch geht sie auf ihn zu, weil auch er eine zu respektierende Würde besitzt.
Wir alle wollen wertgeschätzt werden. Wir wollen unserer Würde wegen respektiert werden. Das heißt aber auch, dass wir uns in gleicher Weise zu verhalten haben, ganz im Sinne von Jesus Christus, wenn er uns zuruft: „Alles nun, was ihr also von den Leuten erwartet, das tut ihnen auch!“ (Matthäus 7,12).
Eine Umfrage des Westdeutschen Rundfunks zeigt, dass sehr viele Menschen in Deutschland der Meinung sind, dass sich Politiker „eher nicht“ darum kümmern, „was einfache Leute denken“. Das heißt doch, dass sie meinen, von Politikern keine Wertschätzung, keinen Respekt zu erfahren. Sich kümmern heißt fragen, wie es einem geht und wie geholfen werden kann.
Respekt ist wechselseitig: Wenn Gewählte und Wähler einander zuhören, an Informationsständen, bei den örtlichen Gemeindevertretungen. Oder wenn wir politisch selbst aktiv werden, uns beispielsweise für ein kommunalpolitisches Ehrenamt zur Verfügung stellen und uns als Gewählte gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern wertschätzend verhalten. Respekt ist wechselseitig: Wenn wir aktiv werden, leisten wir einen wichtigen Beitrag für den Erhalt unserer Demokratie.


Hat Ihnen der Artikel gefallen? Möchten Sie mehr von uns lesen? Dann können Sie hier das Magazin NEUE STADT abonnieren oder ein kostenloses Probe-Heft anfordern.
Der Artikel oben ist erschienen in der NEUEN STADT, November/Dezember 2024.
(c) Alle Rechte bei Verlag Neue Stadt, München
Ihre Meinung interessiert uns: Schreiben Sie uns! Anschrift und E-Mail finden Sie unter Kontakt.