3. Dezember 2024

Gott sorgt

Von nst5

„Diese Frau hat alles hergegeben, was sie besaß,

ihren ganzen Lebensunterhalt“, lautet das „Wort des Lebens“ im November. Mit diesen Worten endet die Szene im Tempel, bei der Jesus die Pilger beobachtet, wie sie ihre Spenden in den Opferkasten werfen. Während andere nur etwas von ihrem Überschuss abgeben, spendet eine arme Witwe ihren gesamten Lebensunterhalt in Form einiger Münzen. Warum gelingt es ihr, auch noch das Wenige zu geben, was sie besitzt, während andere, die über viel mehr Mittel und Sicherheit verfügen, sich damit schwerer tun?
Genau diese paradoxe Freiheit im Geben habe ich auch während meines Freiwilligen Sozialen Jahres auf den Philippinen erlebt. Ich habe mich immer gefragt, wie die Filipinos so offen und frei im Geben sein konnten, wo sie doch selbst kaum etwas hatten und manchmal nicht wussten, wie sie ihre Familie in der nächsten Woche mit dem Notwendigsten versorgen sollten. Mit der Zeit lernte ich ihr „Geheimnis“ kennen: Sie vertrauen ganz auf Gott und seine Fürsorge. In meiner Zeit dort lernte auch ich zu vertrauen und machte die Erfahrung, dass für alles gesorgt wird. So waren zum Beispiel die Filipinas immer für mich da und halfen mir geduldig dabei, mich einzuleben.
Ein anderes Mal konnte ich dann für eine Angestellte des Tagungshauses alles geben. Es war während meiner letzten Tage auf den Philippinen im Juli 2018. Ich kam abends zurück und sah zu meiner großen Überraschung, dass in der Küche des Tagungshauses noch Licht brannte. Da ich dort lange Zeit gearbeitet hatte, ging ich nachsehen und fand unsere Küchenchefin zusammengesunken am Küchentisch sitzen. Ich setzte mich zu ihr, und sie begann, mir von ihren finanziellen Sorgen zu erzählen, was ein echter Vertrauensbeweis war. Obwohl ich nach einem ereignisreichen Tag nur noch ins Bett wollte, hörte ich ihr aufmerksam zu. Nachdem sie geendet hatte, holte ich mein gesamtes Bargeld und die Snacks, die ich als Geschenk für meine Familie gedacht hatte, und gab sie ihr. An diesem Abend schenkten wir einander alles, was wir hatten: Sie schenkte mir ihr Vertrauen und ihr Bedürfnis, ich gab ihr alles, was mir in diesem Moment möglich war. Diese Erfahrung ermutigt mich auch sechs Jahre später immer noch dazu, vertrauensvoll alles zu geben, was mir möglich ist, ohne mir darüber Sorgen zu machen, dass ich zu wenig geben oder bekommen könnte. Dennoch gibt es viele Momente, in denen dieses Vertrauen in Gott auf die Probe gestellt wird. In diesen Momenten hilft mir der Gedanke, dass auf die Todesangst des Gründonnerstages die Erlösung von Ostern folgt. Nein, das verringert den Schmerz nicht, und doch ist es tröstlich zu wissen, dass ich auch in diesen Momenten nicht allein bin. Denn Gott ist in jedem Moment des Lebens mit mir.
Jolanda Deister


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Der Artikel oben ist erschienen in der NEUEN STADT, November/Dezember 2024.
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