4. Februar 2025

PASSIERT

Von nst5

Aus dem Leben mit dem Wort

Ich fegte Laub vor dem Haus. Da schob ein Mann einen anderen in einem Rollstuhl vorbei. Sie waren mir schon aufgefallen, als ich zuvor mit dem Auto heimgekehrt war. Da sie ein wenig ziellos umherirrten, sprach ich sie an. Der Jüngere reagierte mit gebrochenem Deutsch. Er kam aus Polen. Der Ältere litt offensichtlich an Demenz. Sie suchten eine Sporthalle. Nach einigem Nachfragen verstand ich, dass sie ein Senioren-Zentrum suchten, neben dem eine Sporthalle lag. Sie hatten sich verirrt. Ich nahm mir Zeit, ihnen alles genau zu erklären und brachte sie dann bis zu einer Straße, von der aus der Weg leicht zu finden war. Zum Abschied strahlten sie mich an.
P.M.

In meiner Klasse ist ein Mädchen, das mich ständig ärgerte und beleidigte. Eines Tages erinnerte ich mich, dass Jesus gesagt hatte: „Liebt eure Feinde, tut Gutes denen, die euch verletzen …” (vgl. Matthäus 5,43-47). Da habe ich versucht, immer wieder auf sie zuzugehen, ihr zu helfen, mich für sie zu interessieren. Erst war das komisch. Auch für sie. Dann fing sie an, sich zu verändern. Ich habe verstanden, dass es sich lohnt, so zu handeln. Die Welt, die wir sehen wollen, beginnt damit, dass wir unsere Umgebung neu gestalten. Jetzt haben einige in meiner Klasse begonnen, einander zu helfen.
A.D.

Die Frau hatte mit ihren Kindern direkt nach Kriegsbeginn in der Ukraine in Deutschland Schutz gesucht. Sie hatte schwere Zeiten hinter sich, auch weil ihr Mann sich von ihr getrennt hatte. In diesem Sommer war sie zum ersten Mal für kurze Zeit in ihre Heimat gefahren. Nun trafen wir uns zufällig auf der Straße. Ich fragte, wie es ihr gehe. Sie begann zu erzählen – von der Schule, der Arbeit, einem Krankenhausaufenthalt des Sohnes. Dann sagte sie: „Weißt du, am schwersten war es für mich in meiner Heimat. Ich hatte mich gefreut, mit den Kindern dort zu sein. Aber als sie nachts die Drohnen hörten und all die Zerstörung sahen, sagten sie: ‚Mama, wir wollen wieder nach Hause.’“ Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Und dann sagte sie: „Danke, dass ich dir das alles erzählen darf. Das tut so gut.“
M.W.

„Ihr alle seid Kinder des Lichts …“ (1 Thessalonicher 5,5)
Der Kommentar sprach davon, „nicht passiv, träge oder gleichgültig zu sein, sondern sich dafür zu entscheiden, aus Liebe ganz im Hier und Jetzt zu leben und wachsam zu sein“. Gute Hilfen für die vergangenen Wochen! Es galt, viele Gespräche in einer für mich fremden Sprache zu führen. Von Natur aus eher vorsichtig und zurückhaltend, war es mir eine Ermutigung: wachsam sein, nachfragen. Zum einen hatte ich den Eindruck von guten Gesprächen. Zum anderen kam es öfter vor, dass meine Rückfragen, wenn ich etwas schlicht nicht verstanden hatte, zu einer weiteren Klärung für alle führten.
A.S.

Eine Freundin hatte ihre Arbeit gekündigt und war danach drei Monate lang gereist. Nach ihrer Rückkehr hatte sie große Schwierigkeiten, eine Arbeit zu finden. Jedes Mal, wenn wir uns zum Wandern trafen, erzählte sie wieder von den Missständen in ihrem früheren Job, ihren Reiseerfahrungen und den Schritten und Schwierigkeiten bei der Suche nach der Arbeit, die sie sich gewünscht hatte. Nach unseren Treffen schrieb sie mir Nachrichten, in denen sie sich für meine Freundschaft und mein Zuhören bedankte. Zuletzt hatte ich erzählt, dass sich eines meiner Gesundheitsprobleme verschärft hatte. Sofort schickte sie mir Tipps zur Behandlung mit Kräutermedizin und drei Links zu sehr interessanten Techniken, die mir bei meiner Behandlung sehr nützlich waren. Ich empfand diese Liebe, die gegenseitig wurde, als Geschenk.
F.L.

Immer wieder bittet mich mein Mitbruder, der seit einem Jahr auf der Pflege-Abteilung des Klosters lebt, ihm Haarshampoo zu besorgen. Er wünscht dabei eine besondere Sorte, welche die Bezeichnung „Lebensfreude“ trägt. Für mich ist dies wie ein Aufruf. Mein Mitbruder, der das ganze Leben für andere gelebt hat, muss nun selbst Hilfe annehmen. Dies und seine körperlichen Behinderungen fallen ihm nicht leicht. Ich glaube, sein tiefster Wunsch ist es auch jetzt, Lebensfreude zu finden. Ich fragte mich, wie kann ich dazu beitragen? So versuche ich, ihn wenn möglich jeden Tag zu besuchen. Dabei ergeben sich Gespräche, durch die ich ihn tiefer verstehen kann.
R.Z.

Ich schreibe nicht viel Weihnachtspost. Seit ein paar Jahren nur noch an drei ältere Verwandte, von denen nie eine Reaktion kam, auch nicht von deren Kindern. Umso mehr hat mich dann letztes Jahr berührt, dass eine entfernte Verwandte meiner Mutter die Todesanzeige ihres Vaters schickte und dazu schrieb: „Mein Papa hatte eine Lungenentzündung und musste noch am 24. Dezember ins Krankenhaus. Dort ist er dann ein paar Tage später leider verstorben … Sehr gefreut hat er sich noch über die Weihnachtspost von P.A., wie jedes Mal, wenn er diese Post bekam.“
P.A.

Hat Ihnen der Artikel gefallen? Möchten Sie mehr von uns lesen? Dann können Sie hier das Magazin NEUE STADT abonnieren oder ein kostenloses Probe-Heft anfordern.
Der Artikel oben ist erschienen in der NEUEN STADT, Januar/Februar 2025.
(c) Alle Rechte bei Verlag Neue Stadt, München
Ihre Meinung interessiert uns: Schreiben Sie uns! Anschrift und E-Mail finden Sie unter Kontakt.